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Die große Chance bestens genützt

FESTSPIELE / SOLISTENKONZERT LEIF OVE ANDSNES

23/08/12 In der zweiten Zugabe endlich die Wendung dorthin, worum das Solistenkonzert am Mittwoch (22.8.) ursprünglich hätte kreisen sollen: um Debussy, exakt am Tag seines 150. Geburtstages. Leif Ove Andsnes wählte dafür dessen „Hommage à Rameau“.

Von Reinhard Kriechbaum

altDer 42jährige Norweger ist kein unbeschriebenes Blatt bei den Festspielen. Man hat ihn mehrmals hier als Klavierbegleiter von Matthias Goerne gehört und auch als Kammermusiker. Zu Solistenkonzert-Ehren – und das gleich im Großen Festspielhaus – ist er nun als Einspringer für Krystian Zimerman gekommen. Der war aus Krankheitsgründen nicht fertig geworden mit dem genau auf den Tag hin getrimmten Debussy-Programm. Deshalb hat er, aus künstlerischem Verantwortungsgefühl (ja, das gibt es!), abgesagt.

Leif Ove Andsnes hat die Chance bestens genutzt, mit zwei Sonaten von Beethoven und einem überlegt zusammengestellten Chopin-Bukett. Andsnes ist ein fulminanter Techniker, aber diese Option setzt er nicht blindlings als Selbstzweck ein, sondern er macht sich die traumhafte manuelle Sicherheit unmittelbar zunutze: Es gehört schon viel Selbstvertrauen dazu, den Eröffnungssatz der Waldstein-Sonate Nr. 21 C-Dur op. 53 derart eisern im Tempo durchzuziehen, sich und Beethoven nicht ein einziges Rubato zu gönnen… Originell die dynamischen Schattierungen im wirklich „Allegretto moderato“ genommenen Finalsatz, in dem Leif Ove Andsnes aus der ruhig dahinfließenden Bewegung heraus jäh zu hymnischen Steigerungen ansetzt, ganz stufenlos. Da denkt man ans Zuschalten eines Orgelregisters.

Der Techniker ist noch mehr im Schwesterwerk, der Sonate Nr. 22 F-Dur op. 54, gefragt. Unerbittlich stanzt Andsnes die Motivketten heraus, die dem behaglichen Menuett-Tempo so unmittelbar zu widersprechen scheinen. Kaum eine Tempomodifikation, auch im rasend exekutierten Schlusssatz nicht. Unglaublich fast, wie man über die Tasten heizen kann und sich doch kantable, plausible Phrasen ergeben – wie also die Form auch so Kontur gewinnt.

Dann der Schwenk zu Chopin: Vier Walzer hat Andsnes zu einer Art „Sonate“, jedenfalls zu einem erzählerischen Block zusammengebunden, verbindlich beginnend mit dem f-Moll-Werk op.70 Nr.2, nach einer Rückung um eine kleine Sekund heftig aufspritzend mit der Valse Ges-Dur, die in der Sammlung Opus 70 eigentlich voranginge. Eine ganze Faschingsgesellschaft schien versammelt für die Grande Valse brillante As-Dur op. 42, mit all ihren Liebenswürdigkeiten und Marotten: eine Gruppe von Individuen, die dann aufgesogen wird vom rasenden Tanzschritt.

Bei Chopin ist Leif Ove Andsnes deutlich nachgiebiger in den Tempi, er koloriert charmant, leuchtet die harmonischen Besonderheiten der Nocturne H-Dur op. 62 Nr.1 auf vielfältige Art aus. Bewundernswert, wie viel Energie Andsnes aus den Läufen gewinnt, besonders bravourös in der Ballade Nr. 1 g-Moll op. 23: Da wirkt jeder Anlauf gespannt wie eine Feder, jeder Endpunkt einer Tonleiter wird zur treffsicher angebrachten Pointe.

Auffallend viele freie Plätze im Großen Festspielhaus. Das hat wohl nichts mit dem Einspringer zu tun, sondern damit, dass das Kartenangebot derzeit einfach viel zu groß ist.

Bild: SF / Wolfgang Lienbacher

 

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