asdf
 

Lernen, die Bombe zu lieben?

FESTSPIELE / GIULIO CESARE IN EGITTO

24/08/12 Krokodil ohne Schwanz (hier sparen die Festspiele wirklich an der falschen Stelle). EU-Kommissars-Puppe schlampig einbalsamiert (dass eine ägyptische Mumie weder Blut noch Innereien zum Ausweiden hat, hätten die Dramaturgen wirklich herausfinden können). Bombe mit Sexbombe drauf. „Ägyptisch“ mit den Händen fuchtelnde Soldaten, mit korrekter Ballett-Fußhaltung...

Von Heidemarie Klabacher

Georg Friedrich Händels Oper „Giulio Cesare in Egitto“, die Produktion der diesjährigen  Salzburger Pfingstfestspiele, wurde am Donnerstag (23.8.) im Haus für Mozart wieder aufgenommen. Der Katalog der Regie-Ärgernisse ist nicht kürzer geworden. Aber auch das Sänger-Wunder nicht kleiner.

Andreas Scholl als Giulio Cesare, Cecilia Bartoli als Cleopatra, Anne Sofie von Otter als Cornelia, Witwe des ermordeten Pompeo, Philippe Jaroussky als deren Sohn Sesto, Christophe Dumaux als Cleopatras blutrünstiger Bruder Tolomeo, Ruben Drole als General Achilla, Jochen Kowalski als Cleopatras Dienerin Nirena, Peter Kálman als römischer Tribun Curio: Zu Beginn der Aufführung wünschte man sich nichts mehr, als diese begnadeten Sängerinnen und Sänger endlich einmal ohne Krokodil, Bohrturm und Bombe erleben zu dürfen.

Im Zuge der vier Stunden „nachsitzen“ wunderte man sich aber immer mehr: Die vielen dummen Gags der Regisseure Moshe Leiser und Patrice Caurier schienen gar nicht so sehr quer zur Musik zu stehen, als quer zur Regie selber: Da ist etwa ganz gegen Schluss die überaus bewegende Sterbe- und Bekenntnisszene des Achillas, die prompt im Leichenweitwurf endet. Die Soldaten-Tänzer, die gerne gegen Ende der Arien in die letzten Takte des „da capo“ hineinwuseln, sind schier omnipräsent und unterlaufen erfolgreich die Spannung, die die Sänger aufgebaut haben. - Sofern die Sängerinnen und Sänger nicht überhaupt dazu gezwungen sind, sich jeweils selber in die Parade zu fahren: Dass die Bartoli als Monroe verkleidet auf einer Bombe „abhebt“ ist nach wie vor die dümmste dieser Aktionen. Es gibt auch subtilere, etwa wenn Cleopatra sich mitten in ihrer wundersam schönen Klagearie auf die Dachterrasse begibt, als wolle sie das Schicksal der Tosca vorwegnehmen…

Wie fein die Personenführung im Detail tatsächlich wäre, zeigt etwa das Abschiedsduett zwischen Cornelia und ihrem Sohn Sesto, in das sich der Feind – der seinerzeit schon abgewiesene Liebhaber Achillas wie in einem Pas de troix – einfügt. Warum also Moshe Leiser und Patrice Caurier ihre im Grunde intensiv und ganz konkret auf die Musik hörende Regiearbeit mit Plattheit selber unterlaufen, hat sich in der Wiederaufnahme noch viel weniger erschlossen.

Sängerisch ist diese Produktion nach wie vor in allen Rollen beispielhaft. Cecilia Bartoli als Cleopatra fasziniert mit ihrer brillanten Technik und ihrem legendären Pianissimo in höchsten Lagen, liefert aber keine Soloperformance, sondern ist eine „Gleiche unter Gleichen“.

Andreas Scholl ist ein Giulio Cesare, der mehr als schmachtender Liebhaber denn als Feldherr und Herr der Welt überzeugt. Die Momente, in denen der Imperator hervorgekehrt werden soll, sind die unfreiwillig komischsten. Wenn dieser Cesare mit weichem samtigem Timbre seine Liebe beschwört, liegt ihm dagegen die Welt zu Füßen. Philippe Jarousski ist der jugendliche Sesto, der seinen Vater rächen soll, und als traumatisierter Knabe übrig bleibt (einer der vielen überzeugend spannenden Regie-Einfälle). Seine klare strahlende Stimme ist in den lyrischen Arien ebenso bewegend, wie in der zornigen Attacke. Richtig gefährlich ist Christoph Dumaux als Tolomeo, Cleopatras blutrünstiger und machtgieriger Bruder. Jochen Kowalski, der vierte Countertenor dieser sängerischen Jahrhundert-Produktion, singt Kleopatras Kammerdienerin Nirena: Jochen Kowalski verleiht dieser eigentlich komischen Figur gefährliche Tiefe.

Anne Sofie von Otter bewegt mit ihren Trauerarien tatsächlich zu tränen: Cornelia, Pompeos Witwe, die gerade vom grausamen Tod ihres Gatten erfahren hat, muss sich zudem gegen die lüsternen Nachstellungen der Feinde wehren: Anne Sofie von Otter gestaltet diese Cornelia als eine stille Tragödin und bewegt sängerisch mit ihrer ruhig strömenden unendlichen Kantilene.

Giovanni Antonini und Il Giardino Armonico legen den wundersamen Klang-Zauberteppich, auf dem die Sängerinnen und Sänger abheben können.

Weitere Aufführungen 25., 27., 29., 31. August im Haus für Mozart - www.salzburgerfestspiele.at
Bilder: SF / Hans Jörg Michel
Zur DrehPunktKultur-Besprechung der Premiere bei den Pfingstfestspielen Asterix bei Cecilia

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014