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Die Elfen, die Liebe und die Generation Turnschuh

FESTSPIELE / EIN SOMMERNACHTSTRAUM

04/08/13 Ein Kerl wie Puck ist nicht zu unterschätzen. Kommt er doch daher während Mendelssohns „Sommernachtstraum“-Ouvertüre und nimmt im Handstreich dem Dirigenten das Staberl weg. Gut, dass Ivor Bolton ein Mann von stattlicher Statur ist. Das Handgemenge am Pult geht nach einigen Takten für ihn und damit für die Ordnung in der Musik aus.

Von Reinhard Kriechbaum

116Diese Musik wird sich, als Stimmungsmacherin, noch als ziemlich wichtig erweisen im Hof der Residenz. Schrullige Idee, auf Mendelssohns Bühnenmusik zurückzugreifen, sie als Ganzes zu integrieren in einen Schauspielabend? Gerade so, als hätte man es mit einem kurzen Theaterstück zu tun…

Wäre da ein wirklich literarisch ehrgeiziger Regisseur, einer, der ganz tief und ernsthaft eindringen will in die Shakespeare’schen Ambivalenzen und Liebes-Archetypen, dann könnte es leicht sein, dass man die Mendelssohn-Töne als Überfrachtung empfände. So ist es aber nicht. Henry Mason, der in Österreich vor allem im Bereich des Jugendtheaters (Linz, Wien) einige Meriten gesammelt hat, ist keiner, der die Zuseher gedanklich bevormundet. Er ist ein lustvoller Story-Teller. Einer, der in der englischen Heimat seinen Shakespeare vermutlich durch und durch inhaliert hat, in seiner Theaterarbeit den potentiellen Klugscheißer aber selbstbewusst in die Schranken weist. Er erzählt geradlinig und ohne nennenswerte dramaturgische Mätzchen den Plot. Dazu nimmt er eine eigene Übersetzung her, die mit gar nicht wenig Ironie im Detail so gereimt daherkommt wie Schlegel/Tieck. Das mag ein wenig stelzen, deutlich altertümeln – und doch spielt Henry Mason mit den Wörtern spritzig und kreativ.

111Das ist heutig, ohne Slang und (fast) ohne Zoten. Und passt stilistisch formidabel zu Mendelssohns Partitur. Ivor Bolton, am Pult des Mozarteumorchesters und eines szenisch heftig geforderten Frauenchores (mit Solistinnen), gibt ihr unglaublich viel Genauigkeit, Duftigkeit, er macht lustige und listige „Klangrede“, die wispert und kichert. Dieser „Sommernachtstraum“ ist daher auch ein mehr als zufrieden stellender Musiktheater-Abend.

Die Schauspiel-Komponente muss man da schon ein wenig kritischer beäugen. Rasant geht es zu, schon während der Ouvertüre, die viel Zeit lässt, die wesentlichen Figuren vorzustellen. Hochzeitsvorbereitungen, der Boden ist frisch gebohnert und die „Caution“-Tafeln weisen eindringlich hin auf die Rutschgefahr. Aber wer nimmt sowas ernst? Es gilt für den gesamten Abend: Alle sind flotter unterwegs als Schutzengel oder Amoretten fliegen können. Alle Liebenden sind auf der Überholspur. Viel Crash zwischen den Geisterfahrern, trotzdem seelisch nur ganz leichte Blessuren. So soll es sein bei einem „Sommertheater“, das Henry Mason laut einem Zeitungsinterview eben vor allem machen will.

112Wir sind in einem Umfeld gehobener Bürgerlichkeit (Theseus/Hippolyta) und beobachten in Hermia, Helena, Lysander und Demetrius nette, sich un-rebellisch davon absetzende Yuppies: die Jeans- und Turnschuhgeneration, die dann doch gern weiß heiratet… Das Handwerksgrüppchen geht in Masons Sommernachtstraum-Version auch recht heutigen Berufen nach, man ist Florist, Brautmodenverkäuferin, Caterer. Zettel ist was Handfestes (Bodenleger) und damit ein natürlicher Gegenpol zum „Laientheaterverbandsvorsitzenden“ Peter Squenz, der bei den Proben einen Regie-Klappsessel mit sich trägt.

Im Elfenreich setzt man sich gerne Widderhörner und dergleichen auf, ist durch Bodenklappen blitzschnell da und wieder weg. Es wird all den Menschen nicht schwer fallen, das Erlebte als Traum abzulegen.

114Mit Liebe und leichter Hand hat der Regisseur das alles durchgezeichnet. Jede, wirklich jede Figur bekommt ihre Schrullen, Eigenheiten und vor allem ihre Sympathiewerte eingeschrieben. Dieser „Sommernachtstraum“ ist – und das hat unterdessen Seltenheitswert bei den Festspielen – keine Koproduktion mit einer der großen Bühnen, sondern wirklich eine Eigenproduktion durch und durch. Das bedeutet: schauspielerisch vielleicht nur A2-Klasse, aber auf die jeweilige Rolle, auf das erwünschte Rollenbild hin fein gecastet.

Karoline Eichhorn als Hippolyta/Titania ist in beiden Rollen eine selbstbewusste Dame, wobei der „unterbewusste“ Charakter (Titania eben) noch entschieden markiger ausfällt. Die Damen setzen sich überhaupt besser durch, als Welt- oder Elfen-Männer sich das so vorstellen. Michael Rothschopf ist Theseus/Oberon – als letzterer ein aufmerksamer, fast lebensweise wirkender Beobachter der Dinge, die der mehrfach gedoubelte und damit schier allgegenwärtige Puck (Markus Meyer) anrichtet. Puck ist ein Anpassungskünstler, fällt im weißen Tennisdress zwischen den Yuppies nicht auf, hängt sich schnell einen Frack um, wenn er dem Orchester (das auf einer riesigen Art Glasveranda sitzt) nahe kommt. Und im Wald hat er einen Blumen-Anzug, wie zur Tarnung.

115Die jungen Paare (Tanja Raunig, Eva Maria Sommersberg, Daniel Jeroma, Claudius von Stolzmann) wirken ein wenig klischeehaft. Vor allem Helena muss das hässliche Entlein ziemlich „mustergültig“ raushängen.

Raphael Clamer (Peter Squenz) und Paul Herwig (Zettel) sorgen für Witz in den Handwerkerszenen. Die Aufführung der Geschichte von Pyramus und Thisbe ist logischerweise gespickt mit Pannen. Man hält’s gut aus, obwohl man eigentlich schon mürbe gesessen ist: Zwei Stunden fünfzig Minuten ohne Pause, da wünscht sich der Po  schon elfische Kräfte zum Herbeizaubern eines Sitzpölsterchens (guter Tipp: ein solches mitnehmen!).

Getanzt wird viel (Choreographie: Francesc Abós). Und überhaupt sind alle – Schauspieler, Sängerinnen, Statisten – immer in Bewegung. Das ist bestens synchronisiert. Henry Mason hat viel Erfahrung als Musiktheaterregisseur. Wenn er innerhalb der Musiknummern die Geschichte mit Turbulenz vorwärts treibt, ist das doch immer hoch musikalisch. Und wie gesprochen wird! Der Regisseur legt als Shakespeare-Übersetzer merklich großen Wert darauf, dass man die Sache auch akustisch versteht.

Mit neuen Facetten wartet dieser „Sommernachtstraum“ nicht auf, er überzeugt mit gediegenem Theaterhandwerk und mit alerter Komik. Des Regisseurs Vertrauen auf Shakespeare ist groß – und wird natürlich nicht enttäuscht.

Aufführungen bis 22. August im Hof der Residenz – www.salzburgerfestspiele.at
Bilder: SFS / Ruth Walz

 

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