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Klasse statt Masse

FESTSPIELE / SIMÓN BOLÍVAR STRING QUARTET

06/08/13 Die Deutsche Grammophon versucht werbewirksam, überhaupt nur mit den Anfangsbuchstaben SBSQ zu punkten: Ein mit der CD weitgehend identisches Programm präsentierten die Stimmführer des El Sistema-Orchesters nun bei den Festspielen.

Von Horst Reischenböck

130Dass ich Mitglieder renommierter Orchester auf Kammermusikpfade begeben, hat lange Tradition. Ausbüchsen aus dem Kollektiv bringt Freiheit, fokussiert daneben aber auch subtiles Aufeinandereingehen – was wiederum das Zusammenspiel im Großen befruchtet. Nicht anders ist es innerhalb des immer noch jugendlichen Simón Bolívar Symphony Orchestra, das sich an großer Literatur reibt, aber doch interpretatorisch an Grenzen stößt.

Alejandro Carreño, einer der Konzertmeister, Boris Suárez, Anführer der Zweiten Geigen, der erste Bratscher Ismel Campos und Solocellist Aimon Mata, allesamt erstklassige Instrumentalisten, schlugen in ihrem Konzert am Montag (5. 8.) im Großen Saal des Mozarteums in kluger Selbstbeschränkung einen Bogen um das klassische Repertoire und ergaben sich stattdessen mit vollem Herzblut dem, was ihrem leidenschaftlichen Temperament mehr entspricht.

Gleich zu Beginn haben sie eine Bresche für den Argentinier Alberto Ginastera geschlagen – in unseren Breitengraden so gut wie nicht aufgeführt, dabei aber neben dem Brasilianer Heitor Villa-Lobos der mit Abstand bedeutendste Komponist Südamerikas. Auch in der einschlägigen Kammermusikliteratur ist Ginasteras Erstes Streichquartett op. 20 unbekannt. Zu Unrecht, denn das sowohl in den Ecksätzen wie auch im Vivacissimo an zweiter Stelle vital rhythmisch pulsierende Werk vermag spontan zu begeistern. Nicht zuletzt in derartiger Präsentation, die auch als Ruhepol subtil zurücknehmend die dichterischen Lyrismen des dritten Satzes auskostete.

Harrison Birtwistle und seine derzeitige Festspielpräsenz in Ehren, aber: „Die Kunst der Fuge“ BWV 1080 stammt immer noch von Johann Sebastian Bach. Seinen Namen im Programmheft erst an zweiter Stelle zu lesen, mutet doch merkwürdig an! Wolfgang Graeser bemühte sich, mit einer Orchesterfassung diesem genial abstrakten Werk zu klingender Publikumsresonanz zu verhelfen, Dirigent Hermann Scherchen machte sich für die Instrumentierung durch Roger Vuataz stark. ?irtwistle knöpfte sich drei der Contrapuncte vor, um sie auch Streichquartetten anzudienen. Ruhig introvertiert vorerst die vierstimmige Nr. VII, um danach mit dem ersten der zweistimmigen Canons (Nr. XII) dynamisch aufsplittend wach zu rütteln. Der Nr. XVII mischte Birtwistle dann spieltechnisch und klanglich moderne Zutaten bei.

Nach diesem kurzen gedanklich konzentrierten Innehalten Dmitri Schostakowitsch, dessen nicht zuletzt durch Gustav Mahler beeinflusste Klangsprache den Simón-Bolívar-Musikern besonders entgegenkommt. Sein 8. Streichquartett in c-Moll op. 110, mittlerweile als eigenes Memento mori erkannt, ist das mit Abstand meistgespielte und wurde durch die Orchestrierung seines Freundes Rudolf Barschai sogar noch populärer. Auch hier gelang den vier Herren eine überzeugende Darstellung, freilich mitunter in der dynamischen Ausformung an Grenzen rüttelnd. Viel Ambition zeigte das Simón Bolívar String Quartet nach der Pause schließlich auch für Maurice Ravels einziges Werk in dieser Besetzung, allerdings doch nicht so ganz auf den Spuren französischen Esprits. Was die Hörer indes nicht hinderte, wieder von den Sitzen aufzuspringen.

Rundfunkübertragung am Montag (12.8.) um 10.05 in Ö1
Bild: Harald Hoffman/Deutsche Grammophon

 

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