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Aus des Knaben Wundertrantüte

FESTSPIELE / LIEDERABEND GERHAHER, HUBER

Wenn Christian Gerhaher ein Liederabendprogramm zusammenstellt, hält das Liebesglück im günstigsten Fall ein paar Lieder lang an. Und wenn er sich gar auf Schumann fokussiert: dann sind’s maximal anderthalb Strophen. Spätestens dann legen sich die rabenschwarzen Schatten auf die Seele und die Einsamkeit droht den jeweiligen Protagonisten schier aufzufressen.

Von Reinhard Kriechbaum

436Mit „Herzeleid“ ging es also am Donnerstag (8.8.) im Großen Saal des Mozarteums, los. Und am Ende stand „Der Einsiedler“. Wie schlimm muss es sein, zu lieben! Darüber kann keine noch so laue Salzburger Festspielsommernacht hinwegtrösten.

Einen anderen Sänger gibt es vermutlich zur Zeit gar nicht, der sich mit einem vergleichbaren Trantütenprogramm aufs Podium wagte. Christian Gerhaher tut’s mit leicht bekümmertem Blick (der auch einer leichten Verkühlung geschuldet sein mochte). Und er tut’s  mit dem Wissen darum, dass ihm im Moment keiner auch nur annähernd das Wasser reichen kann, wenn es ums Ausmalen der Stimmungspallette zwischen sanfter Melancholie und ausgewachsener Verzweiflung geht. Ein Tort mit Gender- Gerechtigkeit übrigens: „Wofür soll ich spinnen, ich weiß es ja nicht“, singt die unbemannte Maid in einem der Sechs Gesänge op. 107. Und während „der Hans und die Grete“ auf der eigenen Hochzeit tanzen sucht sich „Der arme Peter“ (op. 53/3) ein Erdloch als stimmungsadäquates Ruhelager.

437Ja freilich, die „Dichterliebe“: Da hat Heinrich Heine am Ende mit der ihm eigenen Ironie vorgeschlagen, „die alten, bösen Lieder“ im Riesensarg im Meer zu versenken. Und Schumann als Komponist? Christian Gerhaher macht Strophe um Strophe deutlicher, dass kein Meer tief genug ist. Und genau da kommt natürlich Gerhahers Leib- und Seele-Pianist Gerold Huber ins Spiel, bringt am Ende der Gesangslinie eine kleine und doch nachdrückliche Zäsur an und holt dann noch einmal aus: schwärmerisch rollt er den Melodiebogen aus (so wie er – „Im wunderschönen Monat Mai“ – den Zyklus mit betörend gerundetem pianistischem Gesang eingeleitet hat). Lebenslänglicher Schmerz, vielleicht mit mildernden Umständen, so das Urteil des amourösen Höchstgerichts Gerhaher/Huber.

Angewurzelt saß das Publikum, gebannt lauschend den bekannten und noch viel mehr den unbekannten Schumann-Liedern aus den hinteren, viel weniger abgegriffenen Bänden der Liedausgaben. Sendepause für die gefürchtet knarzanfällige Thonet-Bestuhlung. Die Hörfunkübertragung (14.8. 19.30 Uhr, Ö1) ist ein Muss.

Bilder: SFS/Silvia Lelli

 

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