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Ständchen für den Himmelskaiser

FESTSPIELE / KLANGFORUM / HOLLIGER

12/08/13 Welch ein wundersames Konzert des Klangforums in der Kollegienkirche! Musik, die aus der Stille kommt und in die Stille geht. Musik, die den spirituellen Ort wahrhaftig zum universellen Klangraum macht.

Von Gottfried Franz Kasparek

183Heinz Holliger war der aufmerksame, liebevoll die komplexen Partituren nachzeichnende und sanfte Impulse gebende Dirigent dieses Abends mit Stücken japanischer und koreanischer Komponisten. Das Klangforum Wien war, in unterschiedlicher Besetzungsgröße vom Quartett bis zum Kammerorchester, der Garant für größte Präzision der Wiedergabe bei edelster Formung der Töne, der Wellen und auch der Kanten dieser Musik.

Das 20. Jahrhundert ist, in West und Ost, voll großer, spielenswerter, erhellender, verzaubernder, auch verstörender Musik. Gerade Festspiele haben die Aufgabe, die im „normalen“ Konzertalltag noch allzu oft schmerzlich klaffende Lücke zwischen der Musik um 1900 und Alibi-Uraufführungen zu schließen.

Bei „Salzburg Contemporary“ findet sich immerhin ein offenes Publikum, welches die Kollegienkirche geradezu mit Andacht und Begeisterung füllt. Da hustet offenbar wirklich nur, wer es unbedingt muss.

Japans Toru Takemitsu und Koreas Isang Yun – beide sind schon 18 Jahre lang tot – sollten eigentlich längst eine Selbstverständlichkeit in Programmen sein. Zumal impressionistische Stimmungsbilder wie „Rain Coming“ für Kammerorchester, „Rain Spell“ für Flöte, Klarinette und Vibraphon und der orchestrale Naturhymnus „Tree Line“ von Takemitsu es wirklich nicht schwer machen, auch lustvoll gehört zu werden. Denn diese Stücke aus den 80er-Jahren sind einfach wunderschöne, atmosphärische, poesievoll klingende Bilder und ein Bekenntnis zu einer natürlichen Sprache der Töne, die ganz nach fernöstlicher Art aus der Stille kommt und in die Stille geht.

Ein solitäres Meisterwerk der besonderen Art ist Isang Yuns Ensemblestück „Distanzen“ für ineinander ebenso verflochtenes wie verstreut aufgestelltes Bläser- und Streicherquintett, in dem die Bläser für den Himmel und die Streicher für die Erde, das Violinduo für buddhistische Lichtgestalten und das Horn für den „Himmelskaiser“ stehen. Aus gleichsam fragenden Monologen entwickeln sich ruhevolle Dialoge zwischen Himmel und Erde, die zwar vordergründig scheitern, aber letztlich doch in ätherische Höhen führen.

So balsamisch und weihevoll und dennoch aus tiefstem Herzen überzeugend kann so genannte „Neue Musik“ klingen! Und so bezwingend vereint sich Fischer von Erlachs trotz der aufgehängten Metallrahmen grandios wirksamer barock-katholischer Bau mit der Philosophie des Ostens!

Die Werke der beiden anwesenden Zeitgenossen fügten sich aufs Beste in diesen schon klassischen Rahmen. Auch Toshio Hosokawas intensive, leuchtende Klangstudie „Drawing“ über einen Traum vom Leben im Bauch der Mutter beinhaltet „Klänge, die so intensiv sind wie die Stille“, wie Takemitsu formuliert hat, und beginnt und endet im Schweigen. Der 1977 geborene Dai Fujikura möchte zwar kaum etwas wissen von typisch japanischer Musik – dies ist die typische Reaktion einer jungen Generation den alten Meistern gegenüber. Aber er kann die Tradition trotzdem nicht verleugnen. Auch sein Ensemblestück „ice“ ist erfüllt von in Klang gefasste Natur. Noch dazu entspricht das faszinierende Stück klassischer Dreisätzigkeit. Auf ein pulsierendes, rhythmisch mitreißendes Perpetuum mobile voll vibrierender Pizzicati und verstärkter Gitarre folgen ein besinnlicher Mittelteil und schließlich ein kontrastreiches, farbiges Finale, ersterbend in meditativen Zaubertönen der Bassflöte.

Bild: Silvia Lelli

 

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