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... wie seinerzeit

FESTSPIELE / ROSENKAVALIER

03/08/14 Mädchenhandel? Eheschacher? Kinderbraut? Wenn man davon in der Zeitung liest, regt man sich auf. Wenn dergleichen auf offener Bühne passiert, klatscht man Beifall. Aber das liegt vielleicht auch daran, dass es für die kleine Sophie von Faninal gerade noch einmal gut ausgeht. Dass sie statt dem alten Wider- den jungen Schönling bekommt und dass der Rosenkavalier halt doch - Mozart hin, Mozart her - die Festspieloper ist.

Von Heidemarie Klabacher

Und der neue Rosenkavalier ist „festspielwürdig“. Die Bühne im Großen Festspielhaus schluckt locker das ganze imperiale Wien. Bühnenportal und Bühnenraum im Großen Festspielhaus wirken in dieser Produktion mächtiger den je: Der Hofburg-Bezirk scheint dem Penthouse der Marschallin zu Füßen zu liegen. Ringstraßenpracht. Palmenhaus. Melancholische Alleen in Schönbrunn oder uralte Praterbäume. Kunsthistorisches oder Hochschaubahn. Sie alle werden mit überwältigender Wirkung als Bühnenhintergrund projiziert. Das Extrazimmer für die Maskerade, die den Ochs zu Fall bringen wird, ist übrigens eine Verbeugung vor dem legendären inzwischen abgerissenen Praterwirtshaus zum „Walfisch“.

WienTourismus müsste ein gehöriges Scherflein beitragen, würden die überscharfen, hyperrealistischen und doch immer auch sanft verfremdeten und sich schräg stellenden Bilder nicht zugleich von der Vergänglichkeit und Zwiespältigkeit aller Pracht zeugen. Und damit von der Vergänglichkeit aller Schönheit und der Zeit - dem Hauptthema der Oper. Hans Schavernoch wird mit dieser Rosenkavalier-Bühne wohl Festspielgeschichte schreiben.

Harry Kupfer hat Regie geführt und die Geschichte aus dem alten Österreich schnörkellos und elegant erzählt. Und die Wiener Philharmoniker spielen Richard Strauss, wie halt doch nur – Thielemann hin, Staatskapelle her – die Wiener Philharmoniker Richard Strauss zu spielen wissen: wienerisch, tänzerisch, gesanglich, dem Wort abgelauscht; immer ein wenig bockig, nie nur „gefällig“; aber mit jenem unvergleichlichen Schmelz über etwa dem Klang von Klarinetten oder Solocello, der ganz einfach den Atem still stehen lässt.

Franz-Welser Möst, für Zubin Mehta „eingesprungen“, hat mit dem „Rosenkavalier“ einst in Zürich debütiert, diese Oper hat seinen Weltruf mitbegründet und ist seither untrennbar mit seinem Künstlerleben verbunden. Dabei hat just Franz-Welser Möst seinem Publikum gleich zu Beginn einen gehörigen Schrecken eingejagt: Er hat das verliebte Turteln von Krassimira Stoyanova als Marschallin und Sophie Koch als Oktavian mit schier trunkenem Wiener Philharmonischem Wohlklang beinahe zugedeckt.

Eine – durchaus fragil bleibende - Balance zwischen Sängerinnen und Sängern und Orchester hat sich zum Glück bald eingestellt. Welser-Möst und die Wiener Philharmoniker haben den Vokalisten eine traumhaft schöne Klangbasis gelegt, ihnen dabei aber beileibe nichts geschenkt.  

Umso mehr ist zu betonten: Auch sängerisch ist dieser Rosenkavalier festspielwürdig. Der Höhepunkt ist - nach dem turbulenten und bunten „Lever“, der öffentlichen Morgentoilette vor Gott und der Welt - die große ruhevolle Szene der Marschallin mit ihrem melancholischen Sinnieren über Zeit und Vergänglichkeit.

Krassimira Stoyanova hat mit ihrer stimmlichen und darstellerischen Präsenz, mit der Innigkeit und Überzeugungskraft ihres Ausdrucks, mit ihrer stimmtechnischen Souveränität und exemplarischen Textdeutlichkeit, am Premierenabend einfach überwältigt. Nicht weniger bewegend ist ihre stimmliche und darstellerische Größe am Ende der Oper: Souverän und zugleich voller Wehmut, weil die Trennung noch viel früher kam als ohnehin erwartet, schickt sie als reife Geliebte den jugendlichen Liebhaber zur jungen Braut. Und hilft zugleich deren Vater heraus aus der gesellschaftlichen Verlegenheit nach dem Skandal um die geplatzte Verlobung mit dem Lerchenauer.

Günther Groissböck als schon im Vorfeld der Premiere vieldiskutierter „junger“ Baron Ochs auf Lerchenau erfüllt und übertrifft alle Erwartungen. Dieser Ochs ist kein fetter komischer Alter. Günther Groissböck, stimmlich profund und wendig, ist äußerlich eine durchaus elegante Erscheinung. Eine Art „Prolet von Stand“, auch nicht unmoralischer als etwa jener Graf im Figaro, der sich das Natur-Recht herausnimmt, jede Rockträgerin, egal welchen Alters und Standes, zu befummeln.

Solche Anzug tragenden Rüpel, die meinen, sich großsprecherisch mit ihren Beziehungen und mit ihrem Geld aus jeder Bredouille herauskaufen zu können, bevölkern ja leider nicht nur die Fiktion der Opern-, sondern vor allem die Realität der Politbühne. Tatsächlich ein neuer Ochs – viel weniger harmlos, als der rundliche alte.

Sophie Koch überzeugt als Octavian mit strahlend klarer, kraftvoller und souverän geführter Stimme: Sie gibt den verliebten Knaben Quinquin im Schlafzimmer der erfahrenen Geliebten ebenso überzeugend, wie den jungen ritterlichen Ehrenmann, der vom Verhalten eines proletarischen „Herrn Vetters“ angeekelt ist, oder den verlegen zwischen „alter“ und „junger“ Geliebter herumstehenden Burschen.

Adrian Eröd ist als Herr von Faninal ein überzeugender neureicher Emporkömmling, der seines neuen Stadtpalais sich nicht genug zu rühmen weiß.

Mojca Erdmann ist seine Tochter Sophie. Sie ist eine rührend unschuldige Jungfer Braut, darstellerisch präsent gerade in ihrer liebenswürdigen Verletzlichkeit. Bei der Gestaltung dieser Rolle fällt vielleicht am stärksten auf und ins Gewicht, dass Regisseur Harry Kupfer doch schon ein ehrwürdiger alter Herr ist. Außer liebenswürdiger Unschuld und geradezu royaler Größe fällt ihm zum Bild der „Frau als solcher“ nicht viel ein. Stimmlich ist Mojca Erdmann, die man ja als gestandene Sängerin besonders auch im zeitgenössischen Repertoire abgespeichert hat, jedenfalls die einzige, die bis zum Schluss mit den Wogen Wiener Philharmonischen Schönklanges schwer zu kämpfen hat.

Die Darstellerinnen und Darsteller der unzähligen kleinen und kleinsten Rollen, angefangen bei Franz Supper als Haushofmeister bei der Feldmarschallin, sind rollentypisch gecastet und sängerisch überzeugend. Die Ausstattung – sparsam eingesetzt vor den monumentalen Projektionen – ist überaus elegant. Bis ins Detail festspielwürdig, dieser Rosenkavalier.

Aufführungen bis 23. August. Bemerkenswert, dass mit Stand von Sonntag Vormittag (3.8.) bloß eine von sieben Aufführungen ausverkauft ist - www.salzburgerfestspiele.at
Bilder: SFS/Monika Rittershaus

 

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