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Blick hinter die Fassade

BUCHBESPRECHUNG / HAIDEGGER / NACH DEM FEST

16/11/18 Ein Spiel mit Klischees, Blick in menschliche Abgründe, die Frage nach menschlicher Zugehörigkeit und ein kritischer Blick auf die Gegenwart – Christine Haideggers „Nach dem Fest“.

VON VERENA RESCH

Fünfzehn Erzählungen sind es, die Christine Haidegger in ihrem jüngst erschienen Erzählband unter dem Titel „Nach dem Fest“ vereint. Erzählungen, die sich nicht nur in ihrer Länge unterscheiden, sondern auch hinsichtlich Sprache und Perspektive von der stilistischen Wandelbarkeit der Autorin zeugen. Sie führt ihre Leser an die unterschiedlichsten Orte – mal ins Österreich der Nachkriegszeit, nach Ägypten oder in ein Salzburg der Zukunft. Was die Texte miteinander verbindet, ist die Frage nach der Zugehörigkeit eines Menschen und dem Nachspüren unerfüllter Hoffnungen.

In wenigen Sätzen schafft die Autorin es gekonnt, die Atmosphäre einzufangen und analysiert soziale und familiäre Gefüge, wie etwa in der titelgebenden Erzählung „Nach dem Fest“, in der sie die bedrückende Atmosphäre einer kleinbürgerlichen Familie offen legt. Die Eltern – ein älteres Ehepaar – sind gefangen in starren Abläufen, die der Vater festgelegt hat – immer wollte er für alle doch nur das Beste. Nach und nach werden jedoch die Ängste und Heimlichkeiten der einzelnen Personen offen gelegt, die hinter einer Fassade von vermeintlicher Sicherheit und Ordnung verborgen sind.

Zeitlich spannt Christine Haidegger den Bogen von der Nachkriegszeit bis in die Zukunft, offenbart aber ebenso einen kritischen Blick für gegenwärtige Konfliktfelder. „Mutterbrot. Vaterstaat.“ erzählt die Geschichte von Dora. Dora, die als Kind die Entbehrungen der Kriegs- und Nachkriegszeit erfährt. Doch sie lernt auch, was es heißt, für seine Anschauungen einzustehen, hatte sie doch einen Großvater, der seine demente Frau während der Kriegsjahre vor dem Regime schützte und einen Vater, der nicht in die Partei der „Programmmacher“ eintreten wollte. Zeitsprung: Dora, nun eine ältere Frau, nach einem Unfall Rollstuhlfahrerin, wird öffentlich angeklagt: „Solche hat’s früher ned geb’n, da hat’s a Programm geb’n für solche.“ Der Ankläger: ein Mann von höchstens 50 Jahren, aufgewachsen in dem Land, das morgen sechzig Jahre Staatsvertrag feiert…

Nicht zuletzt wagt die Autorin einen – wohl nicht nur für Salzburger Leser beängstigenden – Blick in die Zukunft und entwirft eine Art Dystopie. Salzburg gibt es nun auch in Las Vegas: Besucher werden – eh klar – von Mozart empfangen, Serviererinnen tragen Microdirndln und im Pool, versteckt in einer riesigen Mozartkugel, lässt es sich wunderbar zu „Edelweiß, Edelweiß“ plantschen. Doch was für ein Glück, alles nur ein Traum! Und das „echte“ Salzburg? Die Altstadt mit einer Plexiglaskuppel überdacht und die Einheimischen dürfen dank Dauerkarte die Staatsbrücke besuchen – vorausgesetzt, die erlaubte Einheimischenbesucherzahl ist noch nicht überschritten… gelungene Pointen setzen, das kann sie!

Christine Haidegger: Nach dem Fest. Erzählungen. Otto Müller, Salzburg 2018. 176 Seiten, 20 Euro. Auch als e-book erhältlich - www.omvs.at
Christine Haidegger liest am Montag (19.11.) gemeinsam mit Brita Steinwendtner und O.P. Zier um 19.30 im Rahmen der Gedenkveranstaltung der Salzburger Autorengruppe  „1938 und die Folgen“ im Literaturhaus Salzburg
Bild: OMVS / Lisa-Alexandra Kutzelnig

 

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