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Ein Fluss im tönenden Porträt

CD-KRITIK / AU LONG DE LA LOIRE

27/06/19 Loire-Könige. Das ist ein Begriff in der französischen Geschichte: Gemeint sind Regenten aus dem Haus Valois, die ihren Hauptsitz nicht in Paris hatten. Sie residierten nach dem Hundertjährigen Krieg gegen England sicherheitshalber in Schlössern des Loire-Tals, quasi im Herzen des Landes.

Von Reinhard Kriechbaum

Die hochberühmten Schlösser entlang von Frankreichs längstem Fluss zeugen ja auch von Epochen, in denen noch gar nicht so klar war, dass Paris dereinst unumstrittene Metropole des Landes sein würde. Zu dieser wurde Paris erst im Lauf des Barocks.

Gibt es eigentlich auch Loire-Komponisten? Der CD-Titel „Au Long de la Loire. Portrait musical du fleuve“ lässt eine solche Erwartung mitschwingen. Aber auf strenge geographische Eingrenzung ist Joël Suhubiette, Leiter des Ensemble Jacques Moderne, nicht aus. Sie funktionierte auch nicht in der „internationalen“ Epoche der Frankoflamen. Joël Suhubiette fragt eher: Was für Musik welcher Komponisten könnte mehr oder weniger von der Loire, von der Landschaft entlang des Flusses angeregt worden sein? Clément Janequin war eine Zeit lang Chef der Musik in der Kathedrale von Angers. Der Niederländer Johannes Ockeghem hatte Pfründe in der Abtei Saint-Martin von Tours. In den Städten Saumur, Chinon, Orléans und Sancerre waren Komponisten wie Fabrice Caietain (ein gebürtiger Neapolitaner), Jean Mouton, Pierre Certon, Antoine de Févin oder Guillaume Faugues über kürzere oder längere Zeit tätig. Eindrücke haben sie aus der Gegend sicherlich mitgenommen.

Originell die Idee, eine solche Kompilation aus eher weniger bekannter Musik in Form einer Messe zu zelebrieren. Ein Hochamt der französischen Renaissancemusik. Nicht streng liturgisch, auch wenn viel echte Kirchenmusik beisammen ist. Janequins Missa super La bataille, der man das Sanctus entnahm, ist einer der effektvollsten Sätze. Weltliches hat zwischendurch Platz: Clément Janequin versichert, dass ein Liebhaber die Angebetete erst vergessen haben wird, wenn das Wasser der Loure flussaufwärts rinnen wird. Das pfiffige Vignon, Vignette des Pierre Certon spricht den Wein an, der hier gezogen wird. An tönenden Naturgemälden fehlt es nicht. Darf man bei Janequins origineller französischsprachiger Variante von „An den Wasserflüssen Babylons“ an Impressionen vom Loire-Ufer denken? Und bei seiner Chanson Le rossignol an einen Morgenspaziergang am Gestade?

Flüssig ist hier vieles, nicht zuletzt dank der sorgsam zwischen perfekter Homogenität und individuellem Stimmtimbre abwägenden Interpretation durch das elfköpfige Ensemble Jacques Moderne. Man hat eigens einen sprachkundiger Tutor für die Aussprache der altfranzösischen und französisch eingefärbten lateinischen Idiome der Zeit um 1550/60 verpflichtet, der im Booklet gleichrangig mit den Sängerinnen und Sängern genannt ist.

Bei so viel Loire-Huldigung erstaunt dann eine Vertonung des Requiem-Introitus (Antoine de Févin) auf den eine ganz spezielle Huldigungsmusik auf eine Verstorbene folgt. Jean Mouton komponierte Quis dabit oculis nostris für für Anna, Duchesse of Brittany, die es gleich zweimal zur Königin Frankreichs gebracht hat: das erste Mal als Gattin von Charles VIII., das zweite Mal durch Verehelichung mit dessen Cousin und Nachfolger Louis XII.

Au Long de la Loire. Ensemble Jacques Moderne, Ltg. Joël Suhubiette – www.mirare.fr/album

 

 

 

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