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Jesus stirbt, ersteht auf und geht übers Wasser

REISEKULTUR / THIERSEE

02/04/21 Das bayerische Oberammergau, eh klar. In Österreich ist Erl als Passionsspielort ein fester Begriff, und in Ostösterreich pilgert man in Sachen Passion nach St. Margarethen im Burgenland. Weniger bekannt sind die Passionsspiele von Thiersee.

Diese Tiroler Gemeinde, in Kilometern sogar noch näher bei Kufstein als Erl, ist der zweite große Passionsspielort in Tirol. Man spielt dort für gewöhnlich alle sechs Jahre. Im Sommer 2022 wird es wieder so weit sein. Die letzten Aufführungen im Jahr 2016 (es sind immer so um die dreißig) fanden über 10.000 Besucher. 250 Dorfbewohner bringen sich in die Aufführungen von Ende Mai bis Ende Oktober ein. „Ausnahmslos Thierseer Laiendarsteller, die ihre gesamte Freizeit opfern“, betont der Obmann des Passionsspielvereins Johann Kröll.

Passionsspiele haben einen festen Platz in der europäischen Theatergeschichte. Zumeist geht ihnen ein Gelübde voraus: Ein ganzes Dorf gelobt die Leidensgeschichte Christi in regelmäßigen Abständen nachzuspielen, um eine Katastrophe – Kriege oder Krankheiten – abzuwenden. In Thiersee wird die Geschichte vom Leben und Sterben Christi seit über zweihundert Jahren erzählt. Bis 1799 lässt sich der Brauch zurückverfolgen. Begonnen hat man mit einem Antichrist-Spiel am Vorderthierseer Kirchplatz. 1875 wurde die erste „Theaterhütte“ gebaut (bis dahin spielte man unter freiem Himmel). 1926 fiel der Entschluss für die Errichtung des Passionsspielhauses am Ufer des Thiersees.

Ist etwas Beharrlicheres, Unveränderlicheres denkbar als ein solches Passsionsspiel? In Thiersee steht eine kleine Revolution bevor, nämlich ein neuer Text. Fast anderthalb Jahre hat der Südtiroler Toni Bernhart an seiner Adaption der Passion gearbeitet. Vor Kurzem hat er die Textfassung fertig gestellt, die also ab Sommer 2022 in Thiersee zu sehen sein wird. Der Stücktext seines Vorgängers Jakob Reimer – uraufgeführt 1923 – hat stolze 99 Jahre lang gehalten.

„Auch Reimers Text war einmal ‚der Neue‘, der einen alten Text abgelöst hat. Jedes Stück ist mit der Zeit verhaftet, in der es geschrieben wird. Je mehr Zeit vergeht, umso mehr bekommt man das Gefühl, dass eine Geschichte aus der Zeit fällt“, so der Autor. Sein Theatertext ist die Grundlage für die Neuinszenierung der Passion, die eine Erwartungshaltung beim Publikum erfüllen soll. Auch wenn sich das Passionsspiel inhaltlich nicht verändert – die Geschichte wird seit Jahrhunderten nahezu unverändert wiedergegeben –, ändern sich doch die Ansprüche an Ästhetik sowie Art und Weise der Erzählung. „Jesus tritt als Erneuerer religiöser und sozialer Belange auf, er wird dafür gefeiert und auch angefeindet, am Ende wird er gekreuzigt, getötet und begraben. So genommen ist es eine traurige Geschichte“, erklärt der studierte Literaturwissenschaftler, der auch als freier Schriftsteller tätig ist.

Toni Bernhart hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Geschichte bis zu einem guten Ende weiterzuerzählen: „Im großen Bogen nimmt das Christentum ein Happy End, das in der Auferstehung aller Menschen mündet und im Himmel endet. Es erzählt von Hoffnung und Rettung.“ Auch Jakob Reimer hatte sein Passionsspiel so angelegt – auf die Kreuzigung folgten die Apokalypse und die Auferstehung.

Nicht nur die vier Evangelienschilderungen werden fürs neue Spiel hergenommen. „Aus den apokryphen Evangelien übernehme ich Ergänzungen, die ungewohnte und überraschende Sichtweisen auf das Leben Jesu eröffnen“, verrät der Autor. In Thiersee soll es gleich drei Christus-Darsteller geben, erklärt der Autor: „Ich beginne mit dem jungen Jesuskind, stelle das Leben und Wirken Jesu dar, dann seinen Tod, auf den Auferstehung und Himmelfahrt folgen. Jesus ist Kind, Jesus ist Mann und zuletzt ist er Auferstandener.“ In der Thierseer Passion hat traditionell auch der Teufel einen großen Auftritt. Der ist mit zwei Schauspielern besetzt – als junger und als alter Teufel.

In Thiersee ist man auf den See stolz. In der letzten Szene der Passionsspiele soll Jesu gar übers Wasser gehen. „Das Besondere an Thiersee ist der See. Einen Hausberg, der Teil des Bühnenraums ist, hat auch Oberammergau. Ein eigenes Haus, in dem die Passion gespielt wird, hat auch Erl. Aber nirgendwo sonst gibt es einen See, der so eng mit dem Ort und seinem Passionsspiel verbunden ist“, beschreibt Toni Bernhart ein Alleinstellungsmerkmal.

Die genauen Aufführungstermine der Passionsspiele in Thiersee für 2022 sind noch nicht publiziert – www.passionsspiele-thiersee.at
Die Passion im Steinbruch von St. Margarethen im Burgenland findet heuer zwischen 3. Juli und 29. August statt – www.passio.at
Auf die nächsten Passionsspiele in Erl muss man länger warten, sie werden erst 2025 wieder stattfinden – www.passionsspiele.at
Eine Übersicht über Passionsspielorte in Österreich
Bilder: ofp Kommunikation

 

 

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