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Beobachtungen von einem Stand für Kinderbücher aus

REPORTAGE / FRANKFURTER BUCHMESSE

23/10/19 Die Tage vor der Eröffnung herrscht in den Hallen Chaos. Container werden angeliefert, Hubstapler sind am Werk, zugleich wird haufenweise Müll abtransportiert, ohne dass es danach aussieht, dass die Mengen auf den kaum passierbaren Gängen weniger würden.

Von Werner Thuswaldner

Die akustische Seite hat es in sich. Die Geräuschkulisse erinnert an Krieg oder Schlachthaus, und dazu kommt überlaute „Musik“ mit stampfendem Rhythmus, die eine Ahnung davon gibt, was uns im Fegefeuer erwarten wird. Die zupackenden Standbauer lieben diese Geräusche. Sie errichten für die Großverlage riesige architektonische Gebilde. Dazwischen quetschen sich kleinere Verlage hinein.

Aber nach zwei Tagen lichtet sich die Szene, die Messe bekommt Kontur. Und dann kommt der Besucheransturm. Die Menschen tun so, als wären sie Monate vorher auf Entzug gewesen und könnten nun endlich wieder ihr Laster befriedigen. In den ersten Tagen sind es nur „Fachbesucher“, am Samstag und Sonntag werden auch andere hereingelassen. Der Unterschied fällt aber nicht auf. Die Gänge sind voll, der Menschenstrom bewegt sich nur langsam vorwärts und gerät auch immer wieder ins Stocken. Aus Angst vor Panik werden zeitweise einzelne Abschnitte gesperrt.

Welche Menschen sind das? Alle nur denkbaren Sorten kommen vor. 305.000 sollen es gewesen sein. Ich habe nicht nachgezählt. Auffallend viele Fettleibige sind unterwegs, wie man sie noch vor Jahren in dieser Menge nur in amerikanischen Großstädten gesehen hat. Sie pflügen sich ihren Weg durch das Gedränge. Viele schauen nicht links oder rechts, sie scheinen ihr Ziel zu kennen.

Andrerseits ist aber auch echtes Interesse gegeben, und es ergeben sich Gelegenheiten zu abwechslungsreichen Gesprächen. Gar nicht wenige der Besucher ziehen einen Rollkoffer hinter sich her. Er enthält ihr Lebenswerk, Skizzen, Zeichnungen, fertige Projekte, für die sie eine Möglichkeit zur Publikation suchen. Im Alter sind sie draufgekommen, dass eine künstlerische Begabung in ihnen steckt, und der möchten sie in Form eines Kinderbuchs Ausdruck verleihen.

Absolventen von Kunstakademie sind natürlich auch unterwegs. Nicht sehr oft ist etwas Brauchbares zu finden. Hauptsächlich liegt es daran, dass die meisten denken, für die Kleinen müssten es vor allem niedlich Stoffe sein und herzige Püppchen oder Mäuschen. Das Resultat ist aber oft reinster Kitsch. Manches davon wird allerdings tatsächlich produziert.

Eine Plage sind jene Besucher – seltsamerweise sind es in der Mehrzahl Frauen fortgeschrittenen Alters –, die mit geräumigen Taschen daherkommen, auf der Suche nach Gratisangeboten. Sie interessieren sich nicht für die Bücher in den Regalen, sondern raffen zusammen, was ihnen in die Finger kommt. Und wenn sie das Zeug nicht mehr schleppen können, kippen sie es in den nächsten Container. Manchmal gibt es an dem einen oder anderen Stand auch etwas zu essen und zu trinken. Dort sammeln sich sofort Trauben von Besuchern, die sich aufführen, als hätten sie bis dahin in Nordkorea gelebt und unter brisanter Lebensmittelknappheit gelitten.

Trotz allem aber überwiegen die positiven Eindrücke. Hoffnungsfroh etwa stimmt das immer wiederkehrende Motiv, dass ein Vater – oder auch eine Mutter – den Nachwuchs im Kinderwagen durch die Gänge schiebt, und drinnen liegt ein Knirps, nicht viel älter als zwei Jahre, der ungeachtet des Trubels in ein Buch vor der Nase vertieft ist.

Zuletzt sind wieder die Standbauer am Werk, die ihre Geräuschkulisse mitbringen und rasch dem ganzen Messezauber ein Ende machen.

Die Frankfurter Buchmesse ist am Sonnatg (20.10) zu Ende gegangen. Die nächste Buchmesse findet von 14. bis 20. Oktober 2020 statt – www.buchmesse.de
Bilder:Frankfurter Buchmesse / Bernd Hartung

 

 

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