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Die ersten drei Monate ist DIE WAHRHEIT billiger

SCHAUSPIELHAUS GRAZ / TURRINI / JOSEF UND MARIA

23/12/19 Die Genossen bei einer Sitzung belauschen und die Aufnahme dem „Feind“ oder den „Medien“ zuspielen? Dem Chef-Genossen – selbst wenn dieser eine Genossin ist – mit dem Messer in den Rücken fallen? Josef, der letzte aufrechte Rote, hat das alles nicht mehr erleben müssen. Er hätte es ohnehin nicht glauben können, Freidenker, der er war.

Von Heidemarie Klabacher

„Turrinis Zwei-Personen-Weihnachtsmärchen mit über hundert Inszenierungen in über zwanzig Sprachen ist das vielleicht erfolgreichste Stück des großen österreichischen Dramatikers und verströmt eine tiefe, allgemeine, weder orts- noch zeitgebundene Menschenliebe“, hieß es voriges Jahr in der APA-Rezension anlässlich der Aufführung von Josef und Maria mit Ulli Maier und Johannes Silberschneider im Theater an der Josefstadt.

Dieser Tage ist im Schauspielhaus Graz eine weitere Inszenierung von Josef und Maria dazu gekommen. Regie führte Michael Schilhan. Franz Solar und Margarethe Tiesel reden in den wehmütig-monologischen Dialogen Peter Turrinis erinnerungsverloren aneinander vorbei – stückgemäß voll Zuneigung und Verständnis. Die Last es je eigenen recht trist verlaufenen Lebens erschwert das aufeinander Hören. Und doch finden in der heiligsten der Nächte im Konsum-Tempel zwei Einsame zueinander... Und nein. Das Stück ist nicht kitschig.

Es ist nur so, dass die Menschenkenntnis und unerschütterliche Menschenliebe Peter Turrinis in vielen anderen seiner Stücke besser getarnt sind. Wahlweise mit erfrischener Direktheit oder polternder Rüpelhaftigkeit. Es begegnen einander also im gold-geschmückten Kaufhaus nach Ladenschluss am 24. Dezember Josef Pribil, 71 Jahre, Aushilfe bei der Wach- und Schließgesellschaft, und Maria Patzak, 69 Jahre, Gelegenheitsputzfrau. Sie erzählen von besseren Tagen, als Varietee-Tänzerin in Tirana und roter Agitator bzw. Kleindarsteller auf dem Theater – und kommen einander näher. Eine gute Flasche aus den Beständen des Kaufhauses hilft dabei.

Franz Solar und Margarethe Tiesel als Josef und Maria sind ein Traumpaar. Sie spielen unprätentiös, da und dort selbstironisch, glaubwürdig. Es sind einfach ein (gar nicht alter) Wachmann und eine (noch weniger alte) Putzfrau, die da neben-einander her reden und dann doch irgendwie mit-einander ins Gespräch und sogar zum Tango-Tanzen kommen. Den Sound liefert die Musikanlage des Kaufhauses. So geht Weihnachten.

Peter Turrini hat diesen September seinen 75. Geburstag gefeiert. Die aktuelle Produktion im Schauspiel Graz ist also zugleich ein verspätetes Geburtstags-, wie ein in jeder Hinsicht aktuelles Weihnachtsgeschenk. War das 2003 erschienene dramatische Weihnachtsmärchen Josef und Maria jemals so aktuell, wie heute angesichts der kabarettreifen Performance der Österreichischen Sozialdemokratie, des Wiederkehrens von Ausgrenzung und lauter werdenden Rufen nach dem starken Mann? „Offensichtlich halte ich die Welt nicht aus, ohne sie in Theaterfantasien zu verwandeln“, sagte Turrini im September in einem ORF-Geburtstags-Interview. Da hat sich schon einiges angebahnt: Ob er die seitherigen Gustostückerl der roten Genossen demnächst in eine tiefschwarze Theaterfantasie verwandeln und vom endgültigen Untergang der Menschlichkeit erzählen wird?

Wie singt der Josef im Stück in Erinnerung ans Gefängnis: „Sankt Christnacht ist heute, das Fest der Liebe, der Versöhnung, für mich klingt’s wie eine Verhöhnung. Wo ist denn die Liebe, wo ist denn die Tat? Wo ist denn die Zukunft und die aufgegangene Saat? Still ist die Nacht, schwarz ist die Nacht, mich hungert und friert, bin gut bewacht.“

Josef und Maria – Aufführungen im Schauspiel Graz bis 17. Jänner - www.schauspielhaus-graz.com
Bilder: Schauspielhaus Graz / Karelly Lamprecht

 

 

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