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Diese Musik ist nicht totzukriegen

GRAZ / KATJA KABANOVA

13/04/23 Die Kabanicha, die böse Schwiegermutter, die Katja Kabanova das Leben zur Hölle macht, hat ein verschwiegenes Verhältnis mit Dikoj – und der ist in der Inszenierung von Leoš Janáčeks Oper in Graz nicht Kaufmann, sondern der Pope des Dorfs. Statt der Ikonenwand sehen wir in seiner mehr als sonderbaren Kirche eine aus Vorhängen gebildete, gelegentlich knallig leuchtende Vulva.

Von Reinhard Kriechbaum

Das Szene-Team, das hier am Werk ist, hat 2021 den Grazer Ring Award gewonnen. Anika Rutkofsky (Regie), Eleni Konstantatou (Bühne), Marie Sturminger (Kostüme) und Johanna Danhauser (Dramaturgie) haben es gegneisst: Katja Kabanova ist eine Frauenoper! Die sexuelle Unerfülltheit in der Ehe mit dem mutterhörigen Boris und die Ausweglosigkeit eines Lebens im Dorf, unter engstirnigen und wegschauenden Menschen, sind ihr Problem. Die Frage ist, ob man diese immens starke und suggestive Geschichte, die sich quasi selbst erklärt, eigens noch feministisch deuten muss.

Sei's drum, lassen wir es mal so stehen, weil die Bilanz dieses Opernabends so eindeutig für die Musik ausgeht, dass man getrost sagen kann: Ein noch so mächtig geschwungener Regie-Holzhammer bringt Janáčeks Werk nicht um, und auch nicht die hier beeindruckende musikalische Interpretation. Als Salzburger hat man ja noch die Festspielaufführung in der Felsenreitschule vom vergangenen Sommer im Ohr. Da hält der Grazer Opernchef Roland Kluttig mit seinem stupendem Gefühl fürs sprachliche Idiom dieser Musik gut mit. Es stimmt einfach jeder Akzent, jede Phrasierung. Und auch wenn er das Orchester (im deutlich abgesenkten Graben) manchmal gar mächtig audreht, kommen die Singstimmen sehr gut durch.

Da ist zuvorderst Marjukka Tepponen in der Titelrolle zu nennen, die es versteht, all die Energie, die diese Partie erfordert, doch so zu bändigen, dass das Bild einer sensiblen, zerbrechlichen Frau prägend bleibt. Eine Getriebene von der Kabanicha, der Iris Vermillion nichts an Kälte schuldig bleibt, auch das ein prägendes Rollenbild. Da hat Ehemann Tichon (Matthias Koziorowski), im Grunde ein gutartiger Kerl, nichts auszurichten. Es wäre zu viel gesagt, dass der in Katja verliebte Boris (Arnold Rutkowski) bei ihr „leichtes Spiel“ hätte. Die Umstände in Familie und Dorf treiben die beiden einander in die Arme. Diese Unerbittlichkeit des Schicksals kommt gerade in der musikalischen Gewichtung, in der von Roland Kluttig musikdramatisch sehr genau durchleuchteten Lesart unmittelbar heraus und wird von einem bis in die kleineren Rollen genau gelenkten Vokalensemble so verlässlich wie glaubwürdig umgesetzt. Da bleiben keine Wünsche offen.

Aber ach, die Szene. Das beginnt mit dem Bühnenbild, einer Kirche, die einst wohl zum Hallenbad umfunktioniert wurde und jetzt gerade wieder als Kirche rückgewidmet wird (ein Glasmaler lässt Hammer und Sichel verschwinden und ersetzt das durch ein religiöses Motiv). Der Vulva-Ikonostas, ist Gipfelpunkt des interpretatorischen Holzhammers. Die Regisseurin sprudelt vor Ideen, von denen viele aber irgendwie der Musik entgegenlaufen. Wenn Boris und Katja einander ihre Liebe gestehen, machen die Vavara und ihr Geliebter ein Picknick. Man hätte ja sonst womöglich zu wenig zu schauen.

Die Katastrophe schlechthin aber ist das Ende. Einer der stärksten Momente dieser Oper ist ja, dass Katja Kabanova, von der Familie und den Dorfbewohnern geächtet, auch noch vom Geliebten einfach hängen gelassen wird. Der Feigling macht sich nach Sibirien davon, sie geht ins Wasser. Hier wird er von den aufgebrachten Dörflern totgetrampelt. Das mag Feministinnen zufrieden stellen, ruiniert aber das Finale der Oper. Schade drum. Unsere Empfehlung: Ohren weit auf – aber Augen zu und durch.

Nächste Aufführungen am 14., 16. und 19. April, weitere Aufführungen bis 14. Mai – oper-graz.buehnen-graz.com
Bilder: Grazer Oper / Werner Kmetitsch

 

 

 

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