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Heut könnt einer sein Glück bei mir machen

LEHAR FESTIVAL / MADAME POMPADOUR

10/07/23 Leo Falls Madame Pompadour ist wohl das meistgespielte Stück des „Spötters der Operette“, der heuer 150. Geburtstag hat. Warum man diesen Geniestreich der gehaltvollen leichten Muse „modernisieren“ soll, erschloss sich bei der Premiere in Bad Ischl nicht so recht. Zumal die Bearbeitung genau dort stecken bleibt, wo sie schon Erik Charell zwei Jahre nach dem Tod des Komponisten 1927 in Berlin verortet hat – in der jazzigen Revueoperette.

Von Gottfried Franz Kasparek

Bearbeitungen sind natürlich immer legitim, wenn sie als solche deklariert sind – und Operette, immer schon eine sehr offene Form, lässt sie auch besonders gut zu. Dass viele Köche den Brei verderben können, ist freilich eine Binsenweisheit. Was die Herren Matthias Grimminger, Henning Hagedorn und der musikalische Leiter der Produktion, Christoph Huber, allesamt Fachleute, gekocht haben, ist alles in allem schon bekömmlich. Da von der Berliner Version nichts mehr vorhanden ist, ist es vielleicht sogar gelungener als diese. Man baut auf den Swing-Jazz der „tollen Zwanziger“, den wenig später Paul Abraham zum Blühen brachte. Die feinsinnige, witzige, pointierte Partitur Falls – sie stammt von ihm selber – wurde kaum verändert, aber es wurde oft hemmungslos variierend und auch aus anderen seiner Stücke zitierend dazu komponiert. Das passt gut, wenn es sich um die schmissigen Nachtänze von auch im Original swingenden Buffonummern handelt. Dagegen sind solche Beigaben inmitten kunstvoll gearbeiteter Duette und Finali trotz der anerkennenswerten Vorsicht des arrangierenden Triumvirats meist ein schmerzhafter Stilbruch.

Und ja, Leo Fall hatte seinen unverwechselbaren Stil! Der spezifische, oft doppelbödig freche, dann wieder mit Sentiment vom Feinsten durchwobene und melodisch bezaubernde Charme dieses typischen Monarchie-Musikanten mit bester Ausbildung bei Robert Fuchs bleibt leider oft auf der Strecke, so sehr sich Dirigent, Orchester, Chor und ein veritables Ensemble auch um ihn bemühen. Dazu kommt, dass Intendant und Regisseur Thomas Enzinger, diesmal selbst als Haushofmeister der Pompadour mit vielen aktuellen Späßen auf der Bühne tätig, die Pferde des Klamauks häufig allzu sehr durchgehen lässt. Im Prinzip erzählt er freilich mit der ihm eigenen Bühnenpranke durchaus die Geschichte der bürgerlich geborenen, als Herzogin zu früh verstorbenen berühmtesten aller königlichen Mätressen. Sie war eigentlich eine für ihre Zeit emanzipierte, sehr kluge und vielseitig begabte Frau und hat Frankreich mehr oder weniger zwei Jahrzehnte lang an Stelle ihres politisch unbedarften Liebhabers besser regiert hat als die ihr folgenden Männer.

Das zurecht beklatschte Bühnenbild (Sabine Lindner), die dem 18. Jahrhundert treuen, aber phantasievollen Kostüme (Sven Bindseil) und die schwungvolle, reichhaltige Choreographie (Evamaria Mayer) tun das Ihrige dazu. Die Show funktioniert und kommt trotz dreistündiger Länge beim Publikum gut an.

Man wird es müde, gegen die Unsitte der in der Operette völlig deplatzierten, Stimmen verzerrenden Verstärkung zu protestieren, aber man muss es weiterhin tun. Wie schön, wenn der Chor singt – der darf das ohne Head-Sets... Der begabte junge Tenorlyriker und Mozart-Interpret Maximilian Mayer als Graf René lässt trotzdem ein beachtliches, mit Höhenstrahl versehenes Timbre hören und spielt herzerfrischend natürlich. Julia Koci, irgendwo am Weg von der Soubrette zur Diva, ist eine glaubwürdige Pompadour, die gelernt hat, Erotik diplomatisch einzusetzen und echte Gefühle zu verbergen. Das Buffopaar ist mit der offensichtlich für die Operette geborenen Loes Cools als Zofe Belotte – ein frischer Wirbelwind aus Belgien, darstellerisch und stimmlich eine wahre Wonne! – und Kaj-Louis Lucke als immer schon von zur Kunst des komischen Fauxpas begabten Schauspielern geliebter, revolutionärer „Volksdichter“ Calicot bestens besetzt. Wenn letzteren die Pompadour als Potiphar verführen will, macht das großen Spaß. Und in diesem Fall ist der zündende Foxtrott Joseph, ach Joseph, was bist du so keusch samt jäh aufrauschender Salome-Anverwandlung ohnehin ein echter Leo Fall.

Elisabeth Zeiler (die ihren untreuen, in die Pompadour verknallten Gatten René suchende und findende Madeleine), Alfred Rauch (der reichlich skurrile Polizeiminister Maurepas) und Markus Raab (der feiste Spitzel Poulard) bieten stimmige Rollenprofile und singen achtenswert. Claudiu Sola (Ludwig XV.) ist ein echter Bass und äußert seine naiven Gefühlslagen in dieser Version als hervorragender Steptänzer, was zwar seine vom Komponisten exquisit parodierten Barockszenen konterkariert, aber im Gegensatz zu diversen Verirrungen in den Liebesduetten dem listigen Leo Fall durchaus auch selbst hätte einfallen können. Und die Ohrwürmer der Partitur zünden wie seit eh und je. So ein offensiv lebenslustiger und genialisch skrupelloser Walzer wie das Credo der Titelheldin, Heut könnt einer sein Glück bei mir machen, ist einfach unwiderstehlich und zeitlos. Da braucht es gar keine Modernisierung.

Aufführungen bis 26. August – Die nächste Premiere beim Lehár Festival Bad Ischl gilt am 15. Juli Carl Zellers „Der Vogelhändler“ – www.leharfestival.at
Bilder: Lehár Festival / Foto Hofer

 

 

 

 

 

 

 

 

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