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Ein weiblicher Comedian in Burka – ey, krass!

LANDESTHEATER / FUNNY GIRL

09/02/16 Für Pedanten: Das Ding, bei dem nur der Augenschlitz offen bleibt, heißt gar nicht Burka, sondern Niqab. Aber wir Arabisch-Analphabeten kennen nur das eine Wort für das Frauengewand, in das sich alle Vorurteile, tendenziösen Unterstellungen und unangenehmen Beobachtungen so wunderpaar einpacken lassen. Ist all das mal sehdicht in schwarzen Stoff gehüllt, so vor-verurteilt sich's deutlich unbelasteter.

Von Reinhard Kriechbaum

Genau da hakte der in London lebende Neuseeländer Anthony McCarten 2014 mit seinem rasch auch ins Deutsche übersetzten Erfolgsroman ein. Nicht im Schlaf dächte sein „Funny Girl“, die zwanzigjährige Azime, daran, eine Burka zu tragen. Nicht mal ein Kopftuch. Sie ist Londonerin von Geburt und durch und durch. In der eigenen kurdischen Familie erlebt sie Islam und Traditionsdenken im engeren Sinn; der kurdische Freund Deniz ist ein Ausgeflippter ohne ernsthafte Bindung zum Kulturkreis, aus dem er kommt. Anthony McCarten lässt seine Romanfigur ausbrechen aus allen Klischees. Azime wird Comedian, natürlich ohne Wissen der Eltern. Sie wirbt für ihre Lebenssituation, indem sie Witze reißt über das Milieu, aus dem sie kommt und die Vorbehalte, denen sie Tag für Tag begegnet.

Comedians führen oft nicht die feine Klinge: „Zwanzig Prozent der Gewaltverbrechen von London, achtzig Prozent des Heroinhandels im ganzen Land“ seien in dem Stadtteil zu Hause, wo sie herkommt. „Und ich spreche jetzt nur über die Geschäfte von meinem Onkel Abdullah.“ Das kommt nicht gut, zumal es mit der Anonymität der jungen Dame, die im Niquab auftritt, nicht weit her ist. Ihr Name fliegt auf, sie aus der Familie. Auf Facebook hagelt es Beschimpfungen, sogar Morddrohungen. Brenzlige Situationen zuhauf, die aber im Comedian-Milieu mit Mut und Witz gemeistert werden.

Im Roman funktioniert das, auch noch in deutscher Übersetzung. Der Witz kommt dort aus dem nicht unraffinierten Umgang mit Klischeebildern, aus denen die Protagonisten auf unerwartete Weise aussteigen. Im Theater sieht das komplett anders aus: Das Wegstreichen bekommt dem Text gar nicht, nur die Klischees bleiben stehen. Da brauchte es wirklich virtuose Bühnenmenschen, die blitzartig die vielen Brüche im Denken der Figuren und ihr ironisch-kauziges, tendenziell anarchisches Handeln rüber brächten. Solche Schauspieler hat man in Salzburg aber nicht. Also Flucht nach vorne, in einen „Erkan und Stefan“-Turbo-Tonfall. Aber der war vor fünfzehn Jahren komisch. Nach Paris und Köln wirkt das eher wie ein linguistischer Ausflug in die Gastarbeiter-Folklore.

Anthony McCarten hat „Funny Girl“ 2014 geschrieben. Da zeichnete man bei Charlie Hebdo noch eher unbelastet Islam-Karikaturen, Paris war noch nicht von Anschlägen paralysiert und Köln hätte sich auch niemand ausgemalt. McCarthen bezog sich auf die Anschläge in Londons U-Bahn 2005 – der Zeitabstand war, sagen wir: beruhigend.

In Carl Philip von Maldeghems Salzburger Inszenierung tut man, als ob nichts wäre und spielt „Erkan und Stefan“. Und das nicht mit Augenzwinkern und Ironie, sondern vorlaut und überzeichnend. „Ey, krass“, hätten die beiden gesagt. Mögliche Hintergedanken überrholt man meist in hohem Tempo. Das Zugespitzte wirkt paradoxerweise gerade wegen der Rasanz ermüdend. Es passiert ja rein gar nichts passiert, was man nicht vorhersehen täte.

Aber eine echt liebe Azime hat man: Elisa Afie Agbaglah kauft man ab, dass sie – nicht unbekümmert – ein Ventil sucht, um aus der latenten Kulturspannung auszusteigen. Für die Rolle des Deniz hat man einen Quereinsteiger gefunden: Rahmi Özgündüz war Profifußballer in Istanbul und ist nach einer Verletzung auf die Schauspielerei umgestiegen. Sein Kiez-Deutsch ist authentisch. Das aufgeregte Getue der Randfiguren – allen voran von Georg Clementi – ist mehr als nervig. Originell wenigstens Christoph Wieschke als lethargischer Familienpascha mit Softie-Allüren. Julienne Pfeil als Comedian-Trainerin Kirsten ist ein Ruhepol. In einer Szene reden sie und Elisa übers Allein-Leben als junge Frau und das Aufgehoben-Sein in der (kurdischen) Familie. Da klingt an, wo die Reise eigentlich hingehen sollte.

Vorstellungen bis 26. April – www.salzburger-landestheater.at
Bilder: Salzburger Landestheater / Anna-Maria Löffelberger

 

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