Ein Vexierspiel von Sex und Liebe
LANDESTHEATER / IL MONDO ALLA ROVESCIA
27/04/25 Antonio Salieri hat seinen von üblen Gerüchten überschatteter „Nachruhm“ nicht verdient – er war ein wichtiger Komponist zwischen Gluck, Mozart und Rossini. Dies wird bei einem Stück wie dem Dramma giocoso Il mondo alla rovescia schnell klar. Die Premiere am 26. April im Landestheater war ein eindeutiges Plädoyer für einen Meister des Musiktheaters.
Von Gottfried Franz Kasparek
Il mondo alla rovescia schildert insofern eine „verdrehte Welt“, als die Geschlechterrollen mit viel Spielwitz in Frage gestellt werden. Auf einer einsamen Insel hat sich das Matriarchat erhalten. In der Inszenierung von Alexandra Liedtke regieren die Frauen in dunklen Uniformen und mit aggressiver Erotik, die Männer sind Hausmänner par excellence, vorwiegend rosa gekleidet, mit Staubwedeln unterwegs und sexuell untertänig. Eine latente Bisexualität liegt auch in der Luft. Aus dem Zusammenprall mit aus dem patriarchalen System kommenden Gästen und Eroberern entstehen Konflikte, sogar ein Kurzkrieg bricht aus, aber vor allem sind es Liebesbeziehungen, die zu einem sinnlich-fröhlichen Ende führen.
Dass dieses buffoneske Libretto des Caterino Tommaso Mazzolà in der Vertonung des braven Familienvaters Salieri einen doppelten Boden erhalten hat, dem die Regie nur ein wenig nachhelfen muss, überrascht. Die vor Einfällen sprudelnde Partitur enthält in bester Buffa-Manier zündende Szenen, dazwischen erstaunlich weit atmende Klangbilder, virtuose, aber nicht allzu lange Arien und hat eine sehr originelle Orchestersprache.
Die Herrscherinnen werden mit Trompeten, Hörnern und Schlagwerk dargestellt, die keimenden Liebesgefühle mit fein verästelten Holzbläsersoli, insbesondere der Klarinette, im Duett mit den Liebenden. Die Streicher sorgen für schillernde Stimmungen. Salieri war nicht Mozart – warum hätte er das auch sein sollen? Seine Melodien gehen nicht so schnell ins Ohr, vielleicht müsste man sie aber nur öfter hören. Seine Harmonik ist meist einfacher gestrickt, aber das hat auch mit seinem Vorbild und Mentor Gluck zu tun. Jedenfalls verfügte der Wahl-Wiener aus Legnago über eine echte Theaterpranke, die jener von Wolfgang Amadé nicht nachsteht.
Das Stück war 1795 in Wien kein wirklicher Erfolg und wurde erst 2009 in Verona wieder auf die Bühne gehievt. Nun gibt es eine neue kritische Fassung von Bernardo Ticci, initiiert vom musikalischen Leiter der Produktion, Carlo Benedetto Cimento. Besser, gefühlvoller, spritziger kann man das aparte Stück nicht musizieren – und dies gilt auch für das wieder einmal glänzende Mozarteumorchester und den von Mario El Fakih einstudierten Männerchor des Landestheaters (der heißt jetzt offenbar „Unterstimmenchor“).
Philip Rubner (Bühne) und Johanna Lakner (Kostüme), nicht zu vergessen Sebastian Schubert (Licht), haben ein stimmungsvolles Ambiente geschaffen. Es ist bunt ausstaffiert mit bekannten gemalten oder lebenden Bildern, zum Beispiel einer Mona Lisa mit rotem Bart, solchen aus der Französischen Revolution und von Caspar David Friedrich, die mitunter verweiblicht oder eben vermännlicht erscheinen.
Schon während der Ouvertüre darf man sich an der Verführung Evas durch Adam ergötzen, später wird der Conte aus dem Männerland sich lasziv in der Venusmuschel räkeln.
Regisseurin Alexandra Liedtke kann zwar nicht ganz umhin, feministisch belehrende Texte zu projizieren, aber diese werden nicht zu viel, denn sie versteht das Komödienhandwerk perfekt und lässt das Spiel mit vielen köstlichen Zwei- und Eindeutigkeiten auf der fast filmisch sich drehenden Bühne rasant ablaufen. Dass im Finale plötzlich die unter die Haube kommenden Männer schwanger werden, ist eine nette Parodie.
Maestro Cimento trägt das Ensemble auf der Bühne auf Händen. Daniele Macciantelli hat als Bass-Generalin die Lacher auf ihrer Seite und stellt umwerfend platt dem feschen Conte aus dem Patriarchenland nach. Dieser, in der attraktiven Gestalt von George Humphreys, lässt sich als echter Bariton-Belcantist aber doch lieber mit der ranken, schlanken Offizierin La Colonnella ein, die von Hazel McBain als couragierte Männersucherin mit fein glitzerndem Sopran gespielt wird.
Nicole Lubinger, die junge Marchesa mit verführerischen Koloraturen, ein zum Militär eingezogener Gast auf der Insel, überwindet ihre Verwirrung über die vertauschten Rollen und angelt sich mit blondem Sex appeal den sanften Amaranto, schmachtend gesungen vom Haustenor Luke Sinclair.
Katie Coventry, als fesche Domina „L'Ajutanta Maggiore“ von „La Generala“ der dritte famose Sopran des Ensembles, Alexander Hüttner als pflegeleichter, gerne tändelnder Tenorino Girasole, Vevhenyi Kapitula als im Finale überraschendes Inselglück findender Comandante, Michael Schober als Oberpriester „Il Gran Colombo“ (ein von den Damen vergöttlichter Kolumbus-Klon?) mit Stentorbass und der liebenswerte Mandolinenspieler Mert E Akyüz, in dessen Szene Don Giovanni grüßen lässt, formen das stimmige Ensemble mit. Insgesamt ein faszinierend vieldeutiges Vexierspiel der Gefühle, bejubelt vom lachfreudigen Publikum.
Aufführungen bis 27. Mai – www.salzburger-landestheater.at
Bilder: Salzburger Landestheater / Tobias Witzgall
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