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Die Schönheit der Töne und ihre Abgründe

FESTSPIELE / KAMMERKONZERT / WIENER PHILHARMONIKER 

21/08/21 Zwei Solitäre der Kammermusik standen auf dem Programm eines Abends mit Mitgliedern der Wiener Philharmoniker: So häufig Franz Schuberts Oktett gespielt wird, so selten hat man Gelegenheit, Anton Bruckners monumentales Streichquintett im Konzertsaal zu hören.

Von Gottfried Franz Kasparek

Das hat seine Gründe nicht nur im spieltechnischen Schwierigkeitsgrad. Bruckners einziges Stück Kammermusik von Bedeutung hat symphonische Ausmaße und ist in seiner klingenden Architektur typisch für den Komponisten. Aber es ist doch keine „Symphonie für fünf Instrumente“, wie oft behauptet, sondern ein dichtes Konstrukt in sich kreisender Motive, die über vier Sätze lang durchleuchtet und variiert werden. Das einzigartige Quintett Schuberts diente wohl als Vorbild, aber Bruckners Stück ist schon allein durch die eher an Mozart angelehnte Verwendung einer zweiten Bratsche anstatt eines zweiten Cellos heller gestimmt. In der Erforschung klanglicher Transparenz liegt die Ahnung einer Moderne, die durchaus zum Serialismus und zu Morton Feldman führt. Im Zentrum steht ein pastos-religiöses Adagio, welches in der Tat ein „Gefühlserguss“ der hohen Romantik ist.

Die Geiger Volkhard Steude und Holger Tautscher-Groh, die Bratscher Elmar Landerer und Tilman Kühn und der Cellist Wolfgang Härtel interpretierten das fordernde Werk mit oft gelassener Ruhe, aufs Feinste ausgemalter Tonschönheit und Klarheit des Ausdrucks. Besonderen Eindruck machte das Scherzo in seiner für Bruckner geradezu ungewöhnlich ruhigen Verspieltheit irgendwo zwischen Mendelssohn und Dvořák. Mit den sensibel ausmusizierten Steigerungswellen im hymnisch endenden Finale war schon vor der Pause Jubel im Publikum garantiert.

Bei Schuberts Oktett, wie Bruckners Stück in F-Dur, aber voll unterschiedlicher Farben und sprudelnder Melodik, kam zum Streichquartett mit Elmar Landerer an der Viola Michael Bladerer am Kontrabass. Immer wieder sind es die Leute am Kontrabass, die inmitten einer Gruppe in ernsthaftester Konzentration Musizierender auch mimisch ihre Freude an Musik ausdrücken. Das selige Lächeln des philharmonischen Geschäftsführers verhindert nicht, dass er ebenso perfekt spielt wie seine Kollegen und Kolleginnen.

Ja, Kolleginnen – Sophie Dervaux ist Solofagottistin des Orchesters und eine glänzende Kammermusikerin. Andrea Götsch, eine junge Klarinettistin aus Südtirol und einstweilen noch im Staatsopernorchester, kann butterweich und herrlich akzentuiert auf ihrem Instrument spielen. Dem Schubert ja ganz besondere Kantilenen gewidmet hat. Dazu passt der warme Ton des Wiener Horns, den Ronald Janezic mit Sorgfalt und Hingabe pflegt. So stand einem betörend wienerisch und im besten Sinne gemütvoll musizierten Schubert nichts im Wege. Die Abgründe des Stücks wurden freilich nicht zugedeckt. Wie sich aus der bohrenden Verzweiflung am Beginn des Finalsatzes trotzig die Lebensfreude aufbäumte, verursachte Gänsehaut. Großer Jubel am Ende erzwang eine Wiederholung des mitreißenden Scherzos.

Bild: SF / Marco Borrelli

 

 

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