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Viva la Diva

FESTSPIELE / JOYCE DI DONATO

27/08/21 Ein Programm mit dem Motto My favourite things – das klingt verdächtig nach Wunschkonzert. Ein solches war der Abend in der Festspiel-Reihe Canto lirico durchaus. Aber er bot auch viel mehr: Es wurde anschaulich, was sich da im Lauf von einem knappen Jahrhundert in der Musik ereignet hat.

Von Reinhard Kriechbaum

Die amerikanische Mezzosopranistin Joyce di Donato rechnet zu den Spezialistinnen im Barockopern-Fach (nicht nur, Mozart und Belcanto könnte sie auch recht gut). Aber in diesem Favorit-Programm ließ sie Barockoper hören. Erst hat sie den Beginn der Oper ausgemalt und dann den ersten Höhepunkt der Entwicklung, am Beispiel von Hasse und Händel. Was also hat sich da getan in der Musikgeschichte! Monteverdi hat, salopp gesagt, die Kunst der Polyphonie durch die Kunst des unmittelbaren deklamatorischen Ausdrucks in einer einzigen Stimme abgelöst. Eine Klage mit emotionalem Überdruck, wie sie Ottavia mit Addio Roma aus Monteverdis Poppea angesichts des drohenden Exils hinausschleudert, hatte die Welt vor 1639 noch nicht vernommen. Wie das auf die Zeitgenossen gewirkt haben mag, ließ Joyce di Donato sehr gut nachfühlen, bis hin zum letzten, fast zähneknirschend gesprochenen „Addio“.

Barocker Seelen-Überschwang braucht nicht unbedingt die Plakativität einer der Sängerin zuarbeitenden Continuo-Gruppe. Es geht auch ganz intim. Dafür stand John Dowlands Gassenhauer Come again, mit gebotener gestalterischer Schlichtheit zur Theorbe gesungen. Und Monteverdis Madrigal Si dolce è'l tormento wirkt wie eine Verschmelzung von Madrigal und Strophenlied, und auch dafür hat die Sängerin die rechte gestalterische Balance gefunden. Sie ist eine starke Persönlichkeit, aber die Extravaganz schießt nicht über.

In diesem Madrigal hat man dann auch an zwei Zwischenspielen von Violoncello und Geige hören dürfen: Auch ein neuer Instrumentalstil hat sich damals herausgebildet, sich an den neuen vokalen Errungenschaften messend. Das führte zur Entwicklung vom Consort zum Orchester. Folgerichtig war das Ensemble il pomo d'oro nach der Pause „im Vollausbau“ da, für Johann Adolph Hasses wahrhaft explosive Cleopatra-Arie Morte con fiero aspetto. Da sind die Sprünge und Vokalfiguren allerdings technisch so fordernd, dass Joyce di Donato der Expressivität die Intonation hat opfern müssen. Sie ist ja keine ganz Junge mehr, aber sie ist eine Diva vom Scheitel bis zur Sohle, und da sind wir bei einer weiteren Neuerfindung der Epche: Die Diva betritt auch mit Monteverdi die Opernbühne.

In der Zeit Händels waren die Kastraten die Diven schlechthin, und als Mezzosopranistin hat Joyce di Donato dafür die rechte Stimmlage und vor allem einen imponierenden Stimmumfang. Freilich lamentiert Cleopatra in Piangerò la sorte mia ausgiebig, aber sie verkündet dann, förmlich explorierend, dass sie den Tyrannen im Schlaf heimsuchen werde. Was für eine nette Parallele zur Ariodante-Arie Scherza infida. Auch der vermeintlich sitzen gelassene Ariodante droht, die ungetreue Geliebte fortan als Untoter zu mobben. Am Schluss jedenfalls ein ausgiebiger Händel-Block (Zugaben eingeschlossen), in dem das Singuläre von dessen Ausdrucksvirtuosität – und jene der Diva Joyce di Donato – aufs Schönste herauskam. Entsprechender Jubel folgte.

Das sehr junge Orchester il pomo d'oro steht für Originalklang-Stürme auf dem Niveau unserer Zeit, und an diesem erfrischenden Luftzug durch die Alte Musik hatte der vom Cembalo aus dirigierende Russe Maxim Emelyanychev nicht wenig Anteil. Nicht nur Ouvertüren, auch viel fulminant Tänzerisches in den eingestreuten Orchesterstücken.

Bilder: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli

 

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