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An der Schwelle

FESTSPIELE / KLANGFORUM WIEN

23/07/23 Wenn es um Spiritualität geht in der Musik des 20. Jahrhunderts und der Gegenwartsmusik, dann tauchen immer wieder die üblichen Verdächtigen auf. Giacinto Scelsi, Sofia Gubaidulina, Gérard Grisey – Hausgötter auch in den Programmen von Markus Hinterhäuser und des Konzert-Verantwortlichen Florian Wiegand.

Von Reinhard Kriechbaum

Solche Konzerte haben im Rahmen der Ouverture spirituelle ihren Fixplatz und ihr Publikum. Und das ist kein Wunder, weiß man doch, was man beim Klangforum Wien – sozusagen der irdischen Institution besagter Spiritualitäts-Götter – zu erwarten hat. So sinnlich übermittelt kaum ein anderes Musikerkollektiv gerade diese Musik. Auch wenn das Programm reichlich prätentiös mit In nomine lucis überschrieben war, wurde das Licht am Samstagabend (22.7.) in der Kollegienkirche zurückgedreht.

Am besten also Augen zu. Der Versuch, auch nur die Texte von Gérard Griseys Quatre Chants pour franchir le seuil, geschweige denn den inhaltsreichen Programmhefttext zu lesen, war im Halbdunkel sowieso vergeblich. Wieso eigentlich überhaupt Programmhefte?

Motto-Spender war ein Orgelwerk, Giacinto Scelsis In nomine lucis aus dem Jahr 1974. Alexander Bauer hat das Stück gespielt. Es kommt so gut wie ohne Melodie und Rhythmus aus. Die Phantasmagorie aus Klang kommt gelegentlich auch so zustande, indem Register nur halb herausgezogen werden. Die Pfeifen geben dann andere Tonhöhen und anderes Chroma von sich als eigentlich vorgesehen. Da würde man auch wabernde Klänge erwarten, aber es sind in Wirklichkeit sehr zielgerichtet gebaute Straßen in eine ultra-ruhig tönende Mystik.

Zwölf Minuten zum Hineinkommen ins Zwielicht an der Schwelle, denn darum ging's eigentlich in dieser Werktrias. Alle drei Stücke hatten mit dem Verlassen dieser schönen Welt in Richtung einer noch schöneren zu tun.

Gérard Grisey hat für sein allerletztes Werk 1998, die Vier Gesänge, um die Schwelle zu überschreiten, Texte aus unterschiedlichen Kulturkreisen hergenommen. Als Letztes eine Episode aus dem Gilgamesch-Epos, die in eine Berceuse, ein Wiegenlied von extremer Zartheit mündet. Schön, wenn man für sich selbst ein so trostreich-friedvolles Musik-Ende schreiben kann. Was vor allem für diesen dreiviertelstündigen Abschied von der Welt einnimmt: wie wundersam Grisey Saxophone und Bassklarinetten, auch Tuben mit der Singstimme amalgamieren lässt. Spektralmusik von meisterlicher Machart. Die Sopranistin Katrien Baerts und das Klangforum Wien unter Ilan Volkov haben sie betörend umgesetzt.

Das Klangforum zuvor in Kammermusik-Kleinheit für Sofia Gubaidulina Meditation über den Bach-Choral „Vor deinen Thron tret ich hiermit“. Das wollte man gleich öfter hintereinander hören, um hinter die strukturellen Schliche dieser Bach-Zerlegung durch Cembalo und fünf Streicher zu kommen. Aber vielleicht will es ja wirklich nicht Verstandesmusik, sondern eben Meditation sein. Feinsinnige Musik jedenfalls.

www.salzburgerfestspiele.at
Bild: SF / Maco Borrelli

 

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