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Die Poesie in sanfter Temperatur

STIFTUNG MOZARTEUM / MARTIN STADTFELD

25/09/13 Völlig unbefangen, so kommt einem vor, nähert sich Martin Stadtfeld dem pianistischen Hochgebirge, das Johann Sebastian Bach da mit tektonischer Urgewalt aufgeworfen hat: Aber wehe dem Halbschuhtouristen, der sich auf Bergtour macht!

Von Reinhard Kriechbaum

062Keine Sorge, Martin Stadtfeld ist bestens gerüstet für die Gipfel des „Wohltemperierten Klaviers“. Nicht nur mit gutem, modernen Schuhwerk (also einem Steinway). Auch die nötige Konditionsstärke bringt er mit. Aber das Wesentliche: Er zertrampelt die Natur nicht, seine Bach’sche Gipfelwanderung, die am kommenden Donnerstag (26.9.) im Großen Saal des Mozarteums fortgesetzt wird, ist von hohem ökologischen Bewusstsein getragen. Kein Pflänzlein – sprich: keine noch so kleine Verzierung oder Melodiegirlande – bleibt unentdeckt. Aber diese Blumen werden geschützt und nicht eitel gepflückt, gar ans Hutband gesteckt.

Vierzehn Jahre lang war beim Leipziger Bach-Wettbewerb kein Erster Preis vergeben worden, 2002 hatte Martin Stadtfeld die Jury überzeugt. Da ist also einer, der seines Bachs gewiss ist. Und doch schreitet Martin Stadtfeld ganz unprätentiös voran. Die Uneitelkeit in Person. Am Dienstag (24.9.) lagen also die Noten des ersten Teils des „Wohltemperierten Klaviers“ auf dem Pult. Stadtfeld vermittelt ruhige Souveränität, eine selbstverständliche Sachlichkeit, bestechende Unaufgeregtheit. Freilich, das Präludium in c-Moll rollt mächtig einher, aber schon jenes in Cis-Dur kommt so leicht daher, dass man den Flug von Schmetterlingen imaginieren mag, ein sanftmütiges und doch eminent bewegtes Perpetuum mobile, das mit Mühe nur zum Stillstand zu bringen ist.

Nimmt man die 24 Präludien als eine Aufeinanderfolge von Charakterstücken, dann bleibt vor allem deren Leisheit in Erinnerung: Unsäglich der Drive, die innere Energie im d-Moll-Präludium, aber das im äußersten Pianissimo – die rechte Vorbereitung auf die besonders komplex gebaute Fuge! Wenn es gelegentlich seufzt in der melodischen Rhetorik, dann setzt Martin Stadtfeld das um, ohne auf die Tränendrüsen zu drücken.

Metrisch streng spielt er, eher ganz leicht beschleunigend im Stückverlauf, jedenfalls ohne Rubati. Er imitiert nicht Cembalo-Techniken, steht zur modernen Pianistik. Aber es fehlt nicht an, wie man so schön sagt, „historischer Informiertheit“. Kein störender Akzent, keine eitle, selbstverliebte Äußerung. Die Fugen: Meist setzt Stadtfeld sie im Ausdruck deutlich ab vom Vorangehenden, lässt eigene Stimmungen zu, fördert den je eigenen Charakter in den Satz-Paare. Umso intensiver wirken dann jene Abschnitte, wo Präludium und Fuge zur großen Musikerzählung, zum einheitlichen Charakterbild zusammenwachsen (gis-Moll, b-Moll, H-Dur).

Wie hält es Stadtfeld nun mit der „wohltemperierten“ Stimmung? Für Pedanten: Der Steinway war an dem Abend nur beinahe, aber eben nicht ganz so gestimmt wie heutzutage üblich: Keine auffallenden mitteltönigen Dissonanzen, aber eben eine leichte historische Individualisierung. „Bach-Kellner-Stimmung“ heißt das unter Fachleuten , mit sieben reinen und fünf ein ganz klein wenig engeren Quinten… Aber das ist schon etwas für Fein-Hörer, weniger für die Ungeduldigen, die gar nicht selten ins Husten und Räuspern gekommen sind an dem langen Abend, an dem die Aufmerksamen gewiss keinen Laut von sich gegeben haben. Bei Bachs Wohl.temperiertem Klavier trennt sich eben nicht nur bei den Pianisten die Spreu vom Weizen, sondern auch bei den Zuhörern. Gebührender Jubel und eine überraschende erste Zugabe: Denn vor dem Choralvorspiel „Nun komm der Heiden heiland“ kam Prokofjew, aus dem Klavier-Bass wie heraus gestanzt die energische Toccata.

Morgen, Donnerstag (26.9.), wird man am selben Ort sogar das Vorrecht einer primae noctis genießen dürfen: Da spielt Martin Stadtfeld das allererste Mal den Zweiten Teil des Wohltemperierten Klaviers in einem öffentlichen Konzert. Einsteigen bitte, es ist noch nicht zu spät!

Martin Stadtfeld spielt Bach, Das Wohltemperierte Klavier II: Donnerstag (26.9.), 19.30 Uhr, Großer Saal des Mozarteums – www.mozarteum.at
Bild: www.martinstadtfeld.de / Uwe Arens

 

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