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Und Welt und Traum!

MOZARTEUMORCHESTER / ANDRÈ SCHUEN, TREVOR PINNOCK

19/02/16 „War alles, alles wieder gut“ heißt es gegen Ende von „Die zwei blauen Augen“ aus Mahlers „Liedern eines fahrenden gesellen“, und da klettert die Stimme in höchste, lichte Lagen hinauf. Dieses Register hat Andrè Schuen so drauf, dass man an den jungen Thomas Hampson denken muss.

Von Reinhard Kriechbaum

Gleich drauf freilich der Absturz in eine Bodenlosigkeit, die Schubert quasi weiterführt: „Und Welt und Traum!“ Diese tiefen Töne singt Andrè Schuen mit der ihm eigenen präzisen Intonation, und doch bleibt die Stimmfärbung geheimnisvoll, indifferent – eben jenes Uneingelöste, das eine treffgenaue Interpretation der „Lieder eines fahrenden Gesellen“ ausmacht. Da ist ja jeder optimistische Blick von trügerischen Helle, jeder Schritt des sich von der Geliebten Entfernenden ganz nah am Abgrund.

Wenige singen das zur Zeit so wie Andrè Schuen. Am Donnerstag (18.2.) wurde er vom Mozarteumorchester unter Trevor Pinnock begleitet. Das „glühend' Messer“ war nicht nur erhitzt, sondern so präzis geschliffen wie die Töne der Trompete. Aber noch viel entscheidender sind natürlich die Valeurs der Klarinetten, die Mischungen der Holzbläser, die im Großen Saal des Mozarteums wie üppige Kammermusik herausgekommen sind. Beste Voraussetzungen für den Sänger.

Wie Andrè Schuen seinem Bariton in der Höhe einmal kernigen Glanz und zugleich Leichtigkeit mitgibt. In derselben Tonlage timbriert er wo nötig auch „kopfig“ und entlarvt damit das Trügerische der jeweiligen Aussaget! Das sind jeweils gestalterische Finessen, über die Schuen mit gestalterischer Selbstverständlichkeit verfügt. Es lässt es, wo's Not tut, auch nicht an Schwärze und an kräftigem Aufbegehren fehlen.

Der am Mozarteum ausgebildete Andrè Schuen in wohl gerade im Zenit seiner stimmlichen Möglichkeiten. Es war karrierepolitisch wohl eine sehr richtige Entscheidung, dass er sein Engagement in der Grazer Oper aufgegeben hat, um in rechten Moment zuschlagen zu können. Eine dieser Möglichkeiten gab ihm Harnoncourt mit seinem Mozart/DaPonte-Zyklus im Theater an der Wien. Dort hat Schuen als Figaro, Don Giovanni und Guglielmo reüssieren können. Wann bekommt ein immer noch junger Sänger solche Karten?

Nun also Mahler, von Trevor Pinnock und dem Mozarteumorchester luzid begleitet. Dass Trevor Pinnock „Erster Gastdirigent“ des Mozarteumorchesters ist, davon bekommt man im Jahrlauf nicht so viel mit. Nun war er also wieder mal da und es wurde ein so temperamentvolles wie gelöstes Musizieren. Sehr überlegt die Programmierung mit Haydns weniger geläufiger Symphonie in H-Dur Hob. I:46 und Mozarts Linzer Symphonie als Rahmen: Beide Werke sind von geradezu berstender Lebenslust gekennzeichnet, gehen in diesem Sinn an Grenzen. Trotzdem fein, dass man für die Zugabe nicht einen der vorwärtsstürmenden Sätze hergenommen hat, sondern das Andante aus der Linzer Symphonie nochmal hat hören lassen: gerade diese Episode war immens reich an Zwischentönen und wohl differenziert gestaltet in allen Wiederholungen (von denen in beiden Symphonien nicht eine unterschlagen wurde).

Einfach eine Freude, wie das Mozart-Werk mit großzügigem Atem erfüllt wurde und sich die Detailgenauigkeit so ganz ohne kleinkrämerisches Streben erschlossen hat. Und Haydn ist, wenn er mit so viel Witz und Hintersinnigkeit angegangen wird, sowieso immer ein Clou: Die wiegenden Streicher werden im „Poco Adagio“-Satz rasch und listig in kontrapunktische Verschlingungen hinein gezogen, und der Abschluss jeder Episode ist eine Horn- und Fagott-schwangere freche Banalität – so etwas kitzelt die Ohren der Zuhörer ebenso wie das scheinbare „Versickern“ der ersten Geigen im Eröffnungssatz. Das hat nicht nur oberflächlich Spass gemacht, sondern war eine rechte Freude...

Bilder: www.andreschuen.com / Angelika Schwarz (1); www.mozarteumorchester.at / Peer-Lindgreen (1)

 

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