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Es gibt nur ein Streben nach Wahrheit

FESTSPIELE / NATHAN DER WEISE

25/07/23 Das „Dramatische Gedicht“ Nathan der Weise gilt je nach Sichtweise als naiv, märchenhaft oder überkonstruiert. Dabei geht es darum, „offen zu bleiben für Dialog“. So der Dramaturg der Neuinszenierung, Sebastian Huber. „Es geht nicht um Toleranz gegenüber allen Dingen, sondern um eigenes Erkennen: Es gibt nicht eine Wahrheit, sondern immer nur ein Streben nach Wahrheit.“

Seine Insenzierung der Perser von Aischylos wurde mit dem Nestroy Theaterpreis ausgezeichnet. Nun führt Ulrich Rasche Regie bei der Neuinszenierung von Lessings Nathan der Weise. Valery Tscheplanowa, die als Buhlschaft an der Seite von Tobias Moretti in Michael Sturmingers Jedermann-Inszenierung zu sehen war, war bei den Persern ebenfalls dabei und überzeugte Publikum und Kritik. Nun spielt sie den Nathan.
Gerade an einem „Ort der Hochkultur wie Salzburg, der auch mit gewissen Machtpositionen gekoppelt ist“, sei es wichtig, sich die Frage zu stellen: „Mit welchem Recht sprechen wir darüber, was andere tun sollen?“ In der Besetzung der Rolle des Nathan mit Valery Tscheplanowa sehe er die erhoffte Wirkung, sich weg von einer überholten Perspektive hin zu einer anderen Warte zu begeben. Für ihn sei im Hinblick auf die Darsteller generell von entscheidender Bedeutung: „Wer spricht an welchem Ort was?“ Eine solche Entkoppelung sei Voraussetzung für einen kritischen Zugang, der in dieser Inszenierung auch dadurch getragen werde, dass die um Nathan herum besetzten Figuren nicht von einer Spielerin oder einem Spieler, sondern von einer Gruppe als chorischem Element getragen würden. „Dieser Ansatz entwickelt sich auch aus dem Stück heraus“, ergänzt Sebastian Huber, zumal viele Figuren durch die Auflösung am Ende nicht mehr diejenigen seien, die sie dachten, zu sein. Die Identitäten hätten sich als fragil erwiesen. Das werde durch die Loslösung von Sprache als Identifikation mit nur einer Figur erreicht.

Valery Tscheplanowa hat die Rolle kurzfristig übernommen. Sie habe das Stück vorher nur aus der Perspektive der Zuschauerin gekannt: „Mir war bewusst, dass ich sofort spielen muss.“ Das Konzept findes sie interessant, betont aber, dass das Spielen einer männlichen Figur für sie weniger bedeutungsaufgeladen sei: „Ich erwarte von mir, dass ich jede Figur spielen kann.“ So sei sie Ulrich Rasche auch dankbar dafür gewesen, als er ihr vor Jahren die Figur des Franz Moor in Schillers Die Räuber angetragen habe. „Für mich sind Texte wie Partituren, denen ich mich von der Musik her nähere.“ An der Figur des Nathan fasziniere sie, wie er Konflikte mit ihm ablehnend gegenüberstehenden Menschen über Sprache löst. „Es irritiert mich geradezu, wie modern die Sprache auf mich wirkt“, sagt sie. Der Text vertrage daher auch ohne Weiteres Kürzungen. Das sieht auch Sebastian Huber so, der sagt: „Man schätzt Lessing zu wenig für seine Freiheit im Umgang mit Rhythmus und Sprache.“

„Wir haben uns Gedanken gemacht, was es eigentlich heißt, Jude zu sein und mit entsprechenden Ressentiments umzugehen“, so Huber. Frei von Antisemitismus sei diese Debatte auch in der Aufklärung nicht geführt worden. Den Assimilationsdruck zu reflektieren, der damals in Richtung der Juden ausgeübt wurde, sei ein wichtiger Punkt. „Ich finde es toll, wie die im Gegensatz zu Christentum und Islam nicht institutionell geschützte Figur des Nathan in der Situation, in der er antisemitischem Druck ausgesetzt ist, nicht nur durch Sprache, sondern auch durch menschliche Wärme auf Menschen zugeht“, sagt der Regisseur. Und auch Valery Tscheplanowa findet: „Ressentiments kommen auch von der aufklärerischen Seite“.

Das werde in der Inszenierung durch chorische Elemente verstärkt. „Der Chor charakterisiert Vertreter einer christlichen Mehrheitsgesellschaft, die den Antisemitismus reproduzieren“, erklärt Ulrich Rasche. Im Hinblick auf die „Chorkörper“ sei es ihm nicht um „ein rein chorisches Marschieren gegangen“, sondern darum „Menschen im Sinne des Tanztheaters von Pina Bausch zu bewegen und Sprache als rhythmischen, körperlichen Vorgang, als choreografisches Element erfahrbar zu machen“. Sebastian Hubers bisherige Erkenntnis: „Weisheit hat man nicht für sich gepachtet, Weisheit ist eine soziale Fähigkeit, eine Art soziale Zauberei“.

Erstmals spielt Valery Tscheplanowa in einer Produktion auf der Perner-Insel. Für sie wirken die Halle und Ulrich Rasches Installation als Einheit. „Seine Gebilde und der Ort verschmelzen räumlich. Wenn man sich darauf einlässt, geht davon eine zauberhafte Wirkung aus, die alles einrahmt. Man kann in einem verlangsamten Prozess Gefühle und Gedanken durchleben, gemeinsam mit den Zuschauern denken wir die Ringparabel durch.“ (PSF / dpk-klaba)

Nathan der Weise – Premiere auf der Perner-Insel ist am 28. Juli - www.salzburgerfestspiele.at
Bilder: SF/Jan Friese

 

 

 

 

 

 

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