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Keine Flucht vor der Fuge

FESTSPIELE / FALSTAFF

10/08/23 „Man muss den Moment genießen. Die Möglichkeiten, die sich einem bieten, ergreifen.“ Das war Verdis Motto beim Falstaff. „Er hat diese Oper aus Spaß nur für sich selbst geschrieben, sagt Ingo Metzmacher. Er dirigiert die Neuinszenierung von Christoph Marthaler in der Ausstattung von Anna Viebrock.

„Ich glaube, dass bei dieser Oper die Musik das weitaus Interessanteste ist“, sagt Christoph Marthaler. Man möchte ja meinen, dass die Musik in der Oper immer das Interessanteste ist. Aber egal jetzt. Christoph Marthaler hat sich jedenfalls für seine Falstaff-Inszenierung von der Verfilmung des Stoffs durch Orson Welles inspirieren lassen.

Die Handlung basiert auf Shakespeares Die lustigen Weiber von Windsor und sei eigentlich keine Komödie: „In der Geschichte inszenieren ständig Leute sich selbst und andere – das ist ein wesentliches Merkmal. Ich finde es toll, wie die Sängerinnen und Sänger dies umsetzen, denn auch in ihrem Zusammenspiel ist die gegenseitige Inszenierung wesentlich. Wir sind gespannt, wie es sich auf das Festspielpublikum überträgt“, so Marthaler. Das Setting umfasse eine Filmcrew und viele Statisten: „Das Filmteam hantiert zwar mit Kameras, es wird aber in Wirklichkeit nichts aufgezeichnet. Man weiß auch nicht immer, gehört das nun zur Handlung, oder ist das gerade vielleicht nur eine Probe am Film-Set“, sagt die Ausstatterin Anna Viebrock.

In der Geschichte gebe es unglaublich viel Verwirrung, alles greife ineinander. Diesen Aspekt, der den Regisseur fasziniert, findet der Dirigent Ingo Metzmacher auch auf der musikalischer Ebene wieder: „Das Nonett mit seinen verschiedenen Texten der einzelnen Figuren ist fast instrumental gedacht.“ Es sei nicht auf Verständlichkeit hin konzipiert, die Sprache sei Artikulationsmittel. „ Am Ende lösen sich – auch im Konstrukt der Schlussfuge – die Personen im Kontext auf. Die Fuge selbst bleibt ein Rätsel. Sie ist nicht vergleichbar mit einer Bach-Fuge, aber Verdi setzt damit ein bewusst letztes musikalisches Statement.“

Verdi hätte eigentlich gar nicht mehr vorgehabt, so Metzmacher, noch eine Oper zu schreiben. „Inspiriert worden ist er dazu nur durch Arrigo Boito. Ich bin sicher, Verdi hat vom Schluss her, also mit der Fuge angefangen, zu komponieren und wusste vorab, dass das Stück damit endet.“ Der Vergleich von Anfang und Ende mache dies deutlich. Auch für Christoph Marthaler ist die Fuge ein geniales Ende, er glaube allerdings nicht an ein Happy-End. Ohnehin lasse die Fuge „über der vordergründigen Auflösung des Texts“ alles offen: „Nachdem alles aus den Fugen ist, endet es mit einer Fuge.“

Die Arie des Fenton, die darauf folgende Szene und die Arie der Nannetta seien die einzigen Ruhepunkte in der Oper, so Ingo Metzmacher. „Wir haben keine wirklichen Szenenwechsel, wir können in der szenisch offenen Situation des Filmstudios auch innerhalb der Akte immer direkt anschließen.“ Das Ganze sei eine Implosion, bestätigt der Dramaturg Malte Ubenauf: „Es gibt kaum Haltepunkte und – trotz der Bezeichnung Commedia lirica“– kaum lyrische Elemente. Man hat ständig das Gefühl, man sei hinter der Handlung zurück.“

Dem setzte man mit neuen Figuren Kontrapunkte entgegen, etwa mit der Person des Filmregisseurs, der Orson-Welles-Figur auf der Bühne, eine Art  Doppelgänge der Titelfigur. „Falstaff ist bei uns nicht einfach der sich aufspielende Hampelmann, als der er von vielen gesehen wird. Das interessiert uns nicht. Er ist eine ganz andere Figur, jemand, der genau weiß, was er mit seinem Handeln auslöst.“

Die Bühnenbreite im Großen Festspielhaus ist eine Herausforderung für Anna Viebrock. Es mache aber auch Spaß, „die Fläche für das zwischen kalifornischem Outdoor-Atelier und Kneipe changierende Setting auszunutzen“. Angelehnt an den Orson Welles-Film. „Man weiß nicht, ob sich alles im Filmstudio von Falstaff abspielt oder ob es vielleicht noch andere Filme gibt“, so Christoph Marthaler. Er nimmt den Text über der Schlussfuge wörtlich: „Alles ist Posse“. Auch musikalisch habe diese Stelle eine besondere Bedeutung, bestätigt Ingo Metzmacher: „Wenn die Fuge abbricht, sieht man in einen Abgrund.“ (SF / DPK-klaba)

Bilder: SF / Jan Friese
ww.salzburgerfestspiele.at

 

 

 

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