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Zu dritt ganz alleine

FESTSPIELE / SOLISTENKONZERT

02/08/23 Kodály, Bartók und Ligeti – zwar unterschiedlichen Generationen zugehörig, haben sie doch miteinander agiert und die Musik des 20. Jahrhunderts maßgeblich mitgeprägt. Exemplarische Solosonaten für die Streicherfamilie im Solistenkonzert mit Jean-Guihen Queyras, Tabea Zimmermann und Isabelle Faust.

Von Erhard Petzel

So unterschiedlich die drei Solowerke Cello, Bratsche oder Geige in ihrer Anlage sein mögen, ergaben sich am Dienstag (1.8.) Im Großen Saal des Mozarteums doch spannende Gemeinsamkeiten auch jenseits des ohnehin vermuteten und partiell offensichtlichen ungarischen Kolorits.

Das eingängigste Stück am Beginn, Kodálys Sonate für Violoncello solo op. 8 von 1915. Jean-Guihen Queyras holt mit größter Selbstverständlichkeit das denkbare Maximum an Ausdruck und Differenzierung aus dem höchst virtuosen Werk, in dem Wurzeln zu den Effekten der Romantik intakt sind und die Auffassung unterstützen. Der Doppelton-Auftakt zieht sich als strukturierendes Motiv durch den rhapsodischen Eröffnungssatz und wird ihn nach Kantilenen, Zwiesprachen mit Flageolett und Episoden in allen emotionellen und klanglichen Lagen wieder beschließen. Im Adagio erwächst ein Ton aus dem Nichts zu einer in sich kreisenden Melodie. Die sphärische Antwort darauf hat einen gezupften Doppelpuls als Kontrapunkt. Dreimal baut sich diese Doppelstruktur auf und erweitert dabei ihre Parameter. Wilde Kontrapunktik folgt und zagendes Grübeln, doch Pulse entwickeln sich zu atemberaubenden Doppelgriffmelodien und Trillerfiguren, bis das selbstvergessene Ende in dann stimmig erschlossenen Zerlegungen ausläuft.

Im Allegro molto vivace geht es dann so richtig magyarisch rund, wobei der galoppierende Rhythmus von virtuos geisternden Zwischenspielen mit berserkerhaften Zupfeinlagen verdrängt und schwarze Bassströme von Einwürfen rüde attackiert werden. Ob dröhnende Tiefen oder schillernde Höhen, was sich hier auf dem Cello von Gioffredo Cappa von 1696 den Ohren auftut, ist in seiner virtuosen Klangschönheit unfassbar. Entsprechend frenetisch der Applaus für Queyras und sein geschmeidig virtuoses wie im perfekten Klang erregendes Spiel.

Ganz anders angelegt ist Ligetis Sonate für Viola solo von 1994. Ihren sechs Sätzen ist ein manisches In-sich-Kreisen immanent, wodurch sie sich als klangliche Monolithen erheben. In Hora lungă schraubt sich eine elegische Melodie bis ins Verduften aus Flageolett. Loop: Ein Doppelgriff-Kontrapunkt erweitert sich zum Tanzirrwitz. Facsar: Wieder gehender Charakter, die tief sonore Melodie mündet in Zweistimmigkeit mit Hang zur dramatischen Klage. Prestissimo con sordino liefert eine durchgehend laufende Linie mit akkordischen Einwürfen. In Lamento wird eine dissonante Doppelgriff-Ouvertüre durch ein lieblich-ruhiges Bicinium drei mal kontrastiert, bevor eine Erzählung im Flageolett anhebt. Die Chaconne chromatique erweist sich als polyphone Sarabande mit schöner Entwicklung statt simpler Variationen.

Stupende Virtuosität und ausnehmende Klangschönheit sind selbstverständliche Markenzeichen der Bratschistin Tabea Zimmermann, Ligetis Sonate erweitert den Kanon dieses Instruments. Allerdings forderte die lineare Charakter des Stücks die Aufmerksamkeit stärker ein. An nervösem Hüsteln einiger Zuhörer hatte dann auch Bartóks Sonate für Violine solo Sz 117 zu leiden. Sehr stark in diesem Spätwerk das Einbeziehen klassischer Elemente bis zu Beethoven-Anklängen und der Bezug zu Bachs Solo-Literatur. Das eröffnete spannende Parallelen und Analogien zu den Werken davor.

Tempo di ciaccona verleugnet den vorgegebenen Charakter. Die Doppelgriff-Ouvertüre führt in höchste Höhen, doch erkennt man in der schmerzlichen Trauer der rhapsodischen Episoden die gedrückte Stimmung des exilierten Komponisten 1944. Isabelle Faust führt klar durch die virtuose Nachdenklichkeit der elegisch kreisenden Linien. Der zweite Satz bietet eine Fuge aus einem Zwei-Ton-Motiv und seiner Erweiterung, das als Fugenkern zum Baumaßstab wird, während die Zwischenspiel-Linien einander jagen und sich eine Durchführung an der klassischen Sonate orientiert. Dieser Fugenkern baut sich in der Adagio-Melodia des dritten Satzes aus zur in sich kreisenden Linie voll süßer Einsamkeit, daraus con sordino ein sphärisches Bicinium. Ohne Dämpfer geht es dann in himmlische Flageolett-Sphären. Das Presto rummelt als inverser Hummelflug und katapultiert sich aus dem Sumpf der Niedergeschlagenheit in die Lust kräftig gestalteter Virtuosität.

Ein in sich runder, äußerst eindrücklicher Abend auf höchstem künstlerischen Niveau und voll geistiger Anregung für sein begeistertes Publikum.

Bilder: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli

 

 


 

 

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