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Heimat in manchen Ecken dieser Welt

RADSTADT / FILMFESTIVAL

06/11/23 Nicht weniger als sechs Österreich-Premieren und 19 Filme, die zum ersten Mal in Österreich zu sehen sind: Wie immer bei diesem ehrgeizig programmierten Filmfestival umkreist man den Begriff Heimat – und das nicht im Sinn von Enge, sondern von Weite.

Von Reinhard Kriechbaum

Elisabeth Schneider, die Intendantin des Festivals, stellt zur Programmauswahl fest: „Der Blick richtet sich auf die nahe und ferne Heimat. Hier wie da, scheint es oftmals, ist die Welt aus den Fugen geraten. Gerade da bietet das aktuelle Festivalprogramm in Radstadt die Möglichkeit, drängenden Fragen nachzugehen, Hintergründe zu erfahren und in den vielen Diskussionen und Gesprächen mit Filmschaffenden Antworten zu finden.“

Eröffnet wird das Festival am Mittwoch (8.11.) mit dem Dokumentarfilm Wer hat Angst vor Braunau? Von dem Salzburger Regisseurs Günter Schwaiger. In diesem Film, der internationale Beachtung fand, porträtiert er den Geburtsort und das Geburtshaus Adolf Hitlers. Über fünf Jahre hinweg beleuchtet er Aufarbeitung und Umgang mit der Vergangenheit im Ort.

Im Dokumentarfilm Der letzte Sommer? (10.11.) beschäftigt sich der Saalfeldener Filmemacher David Herzog mit dem Leben der 83jährigen Altbäuerin und Sennerin Lisl Heigenhauser. Er begleitete sie einen Sommer lang mit der Kamera bei ihrer Arbeit. Es wurde das Porträt einer energischen und verantwortungsvollen Frau, die seit über zwanzig Jahren auf der Kammeregg-Alm in Maishofen die Gäste bewirtet. In ihrem ebenfalls dokumentarischen Film Trog, gewährt Gabriele Hochleitner Einblick in ihre Goldegger Familiengeschichte.

A propos Familie: Eine solche hat ja der 1974 geborene Salzburger Filmemacher Marko Doringer unterdessen. Die Eigenschau auf die eigene Befindlichkeit, die immer wieder von Selbstzweifeln und Durchhängern durchzogen ist, hat mittlerweile Stoff für eine ganze autobiographische Filmreihe her gegeben. Doringer, eine ironiebegabte Trantüte, betrachtet sich im Spiegel, holt seine Freundin Marlene und Menschen aus dem Freundeskreis vor die Kamera. So entstehen im Abstand von immer ein paar Jahren aussagekräftige Lebens- und Befindlichkeitsbilder der jetzt auf die Fünfzig zusteuernden Generation. Dein Leben – mein Leben ist am Eröffnungstag, schon um 17 Uhr, als Österreichische Erstaufführung zu sehen.

Der Wolf kommt immer wieder in die Schlagzeilen. Wie umgehen mit einem eigentlich geschützten Beutegreifer, das polarisiert. „Mit dem Dokumentarfilm Die Wolfssaga, zu sehen am Donnerstag (9.11.), verfolgen wir die Geschichte der Rückkehr der Wölfe in unserem Nachbarland Deutschland“, so Elisabeth Schneider. Stephan Kaasche und Karsten Nitsch sind Mitarbeiter des Lupus Instituts, das Wolfsmonitoring und Forschung in Deutschland betreibt. „Neben diesen beiden , kompetenten Naturführern wird auch die Hirtin Maria Naynar zu Gast sein. Sie wird von ihren Herdenschutz-Erfahrungen mit einer Tiroler Almengemeinschaft erzählen.“

Im Dokumentarfilm Auf der Spur der Küstenwölfe, am selben Abend in Radstadt zu sehen, geht es um die im Sommer verstorbene Radstädter Biologin und Wolfsforscherin Gudrun Pflüger. „Ihre mahnende Stimme und ihre wissenschaftliche Expertise als Biologin fehlt gerade jetzt sehr“, so Elisabeth Schneider.

Der Fuchs von Adrian Goiginger ist harmloser als die Wölfe. Er war im Zweiten Weltkrieg das Maskottchen vom Urgroßvater des Salzburger Filmemachers, um den dieser Film melodramatisch kreist. Viele der in Radstadt gezeigten Filme haben ja Auszeichnungen bekommen. Der Hauptdarsteller in Der Fuchs, Simon Morzé, beispielsweise im Vorjahr den Bayrischen Filmpreis.

International wird es mit Roter Himmel, für den Christian Petzold heuer auf der berlinale den Silbernen Bären und den Großer Preis der Jury einheimste. In ein paar einsamen Sommerwochen an der Ostseeküste lotsen junge Menschen ihre Gefühlswelten aus und stellen neue Weichen. Quiet Girl ist Irlands Oscar-Nominierung 2023 und Olfas Töchter der Siegerfilm des Münchener Filmfestivals 2023.

Drei Frauen zeigt ein Dorf in der Ukraine jenseits von den Kriegsgeschehnissen: In den Karpaten zwischen der Ukraine, der Slowakei und Polen liegt das Dorf Stuzhytsia, übersetzt „kalter Ort“. Hier wohnen die Bäuerin Hanna, die Postbotin Maria und die Biologin Nelya und müssen mit der sozialen Realität und der Einsamkeit zurechtkommen.

Zahlreiche Gäste aus dem Bereich Film, Produktion und Schauspiel haben ihr Kommen angekündigt. Gerade die Fokussierung aufs Thema Heimat macht das Radstädter Filmfestival seit Jahren zu einem beliebten Treffpunkt für Cineasten. „Dreißig Filme laden ein, nach Radstadt zu kommen, denn so viel ist gewiss: diese fünf Festival-Tage lassen sich mit keinem Streaming-Dienst aufwiegen“, sagt Elisabeth Schneider selbstbewusst.

22. Heimat:Filmfestival in Radstadt von 8. bis 12. November – www.daszentrum.at
Bilder: Das Zentrum / dimdimfilm (1); David Herzog (1); Pandafilm (1); Christian-Schulz-Schramm-Film (1)

 

 

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