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Der liebste und andere Orte

ASPEKTE / ENSEMBLE REIHE ZYKAN +

11/03/24 Um die Musik des mit Schmäh vom Besten ausgestatteten Wieners Otto M. (Matthäus) Zykan, der von 1935 bis 2006 gelebt und die dürren und dornigen Wege der Avantgarde mit lustvoll-listigem Humor und beharrlich tonalem Empfinden begleitet hat, ist es still geworden. Wie schade dies ist, bewies am Sonntag eine bejubelte Matinee des Festivals Aspekte im leider nicht gerade scharenweise besuchten Solitär.

Von Gottfried Franz Kasparek

Die rührige Zykan-Nachlassverwalterin Irene Suchy und der aus Salzburg stammende und mit seinem pfiffigen Witz vor allem in Wien tätige Komponist Michael Mautner haben 2020 das Ensemble REIHE Zykan + gegründet, mit dem Ziel, den „Schmäh als ästhetisches Prinzip“ zu ergründen und fortzuführen. Dies kann der von der Gedanken Blässe angekränkelten Szene der „Neuen Musik“ nur guttun. Zykan, wie übrigens auch die ganze „Dritte Wiener Schule“ mit Cerha, Schwertsik und HK Gruber, haben sich bei aller Ernsthaftigkeit dort, wo sie geboten war, ihren Schmäh, wo „Scherz, Satire, Ironie...“ vonnöten war, nie nehmen lassen und der schräge Otto M. Zykan war ein Bruder im Geiste. Und selbstverständlich gehört zum eben zitierten alten Grabbe-Titel auch die „tiefere Bedeutung“ dazu.

Da Zykan nicht nur ein durchaus meisterlicher Komponist von phantasievoll notierten Werken, sondern eben auch, schon bevor die Bezeichnung Mode wurde, ein Performer war und ein Chansonier, der sich selbst oft improvisierend am Flügel begleitete, liegt dieser Teil seines Schaffens großteils nur in Form von Skizzen vor. Michael Mautner hat daraus mit perfektem Stilgefühl das etwa dreiviertelstündige Unterösterreichische Liederbuch erstellt und nicht nur Zykans Entwürfe spiel- und singbar gemacht, sondern auch qualitätsvoll Eigenes auf stimmig in diese bis ins Wiener Barock zurückreichende Tradition passende Texte von Franzobel beigesteuert. Und all dies sind Lieder, oft klingende Glossen und Aphorismen, manchmal tragikomische Balladen von der österreichischen Seele und ihren Abgründen, die direkt zum Publikum sprechen. Zumal wenn ein kongenialer Interpret wie Adrian Eröd mit klar artikulierendem Edelbariton, sagenhaft sicherer Intonation und absoluter Wortverständlichkeit auch im „harben“ Wiener Dialekt die Texte nicht nur souverän singt, sondern auch lebt.

Die Texte sind von Zykan, zum Teil Jacques Prévert nachgedichtet, von Friedrich Achleitner und in einem Fall von Brecht, für den der liebste Ort der Abort war. Die besuchten Orte sind jene alltäglichen, an denen sich die Dramen des Lebens abspielen wie im trauten Heim, im Wirtshaus, am Rummelplatz und in der Natur. Je sieben Lieder spielen „im Himmel“, womit die Traumwelten gemeint sind und ein zum Glück abwesender „Vater unser“, „auf Erden“, wo ein Kuckuck, ein Floh und ein Bierbauch auftreten sowie „im Keller“, in dem nach „dicker Luft“ und einem skurrilen Frauenmörder dann doch so was wie die Liebe auftaucht. Damit ist eine würdige Fortsetzung von Ernst Kreneks „Reisebuch aus den österreichischen Alpen“ gelungen, die ins Repertoire gehört. Möglichst mit Adrian Eröd, der mit dem Pianisten Albert Sassmann und den mitunter pointiert sekundierenden Sängerinnen Katharina Adamcyk und Johanna Zachhuber auch ideale Partnerschaften bildet.

Vor diesem solitären Ereignis gab es die Gelegenheit, das fulminante Vokalensemble der Gruppe kennen zu lernen. Zu den schon erwähnten Alt- und Sopranstimmen kommen da der Tenor Richard Klein und der Bassbariton Gebhard Heegmann dazu und ergeben ein nicht nur wohlklingendes, sondern auch virtuoses und präzise akzentuiertes Gesangsquartett, geleitet und moderiert von Michael Mautner. Zykans Ping Peng Peng, 1983 in Wien für die Friedensbewegung entstanden, hat einen nahtlos angefügten zweiten Teil bekommen, Mautners Version von „L'homme armé“, insbesondere der zweiten Zeile „... doibt on douter“ – dem Frieden darf man nicht trauen...

Die 1955 geborene ukrainische Komponistin Karmella Tsepkolenko, die als Professorin an der Musikuniversität Odessa im Bombenhagel ausharrt, hat auf einen wütend traurigen Text von Serhij Zhadan für das Zykan-Ensemble im Frühjahr 2022 das Vokalquartett Woher schwarzer Tross... geschrieben – Klänge, die aufwühlend an die Grenzen gehen wie ein Krieg in Tönen. Es ist übrigens nicht einzusehen, dass die Musik der Ukraine in Salzburg sonst kaum wahrgenommen wird. Uraufgeführt wurde die der Malerin Maria Lassnig gewidmete kleine, sensible Suite Maria Lasso der Österreicherin Maria Gstättner, die in ihrer tröstlichen Quintessenz zum folgenden Liederbuch leitete: „Mit Humor kann man Unvollkommenheit und Schmerz überwinden.“

Bilder: Aspekte / Wolfgang Kirchner

 

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