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Mir leuchtet ein, was letzte Tage sind

BIENNALE / OENM / BACHMANN-ZYKLUS

20/03/11 Dieter Schnebel vertont Ingeborg Bachmann. „Seht ihr’s, Freunde, seht ihr’s nicht?“ „Tot ist alles - alles tot“ „So stürben wir, um ungetrennt“: Das sind Zitate aus Wagers „Tristan und Isolde“. Romantische Einsprengsel in den depressiven expressionistischen Texten der Bachmann.

Von Heidemarie Klabacher

alt„Diese Zitate sind bei Bachmann Fremdkörper. Und sie sind auch in meiner Vertonung als Fremdkörper komponiert“, sagte der Komponist Dieter Schnebel vor der Aufführung des Liederzyklus „Mild und leise“ im Gespräch mit Gottfried Franz Kasparek. Er habe - wenn im Text Wagner kommt - auch in der Musik Wagner zitiert: um-instrumentiert natürlich, für Frauenstimme, Klarinette oder Saxophon, Violine, Violoncello, Klavier und Schlagzeug. „So kommt es, dass man danach alle diese Wagner-Zitate im Ohr hat, und keinen Schnebel“, scherzte der Komponist. Das stimmt so nicht.

altFreilich erinnert man sich lange an das meist völlig unerwartete Erblühen des „strengen Satzes“ zu Wagner’scher Weite und Opulenz. Das ist jedes Mal wieder überraschend und beeindruckend. Umso mehr, als die Bachmann-Texte von einer trostlosen verlorenen Seele erzählen, für die ein gemeinsamer Liebestod Erfüllung gewesen sein dürfte.

„Mild und leise wie er lächelt, wie das Auge hold er öffnet – seht ihr’s Freunde? Seht ihr’s nicht? Immer lichter wie er leuchtet, sternumstrahlet hoch sich hebt? Seht ihr’s nicht?“ - So heißt es bei Wagner. Bei Bachmann wird daraus: „Seht ihr Freunde? Seht ihrs nicht ich überall mein Grab zu schaufeln anfing…“ Oder: "...dass ichs nicht überlebt auch nicht überstanden habe..."

Geschrieben hat Ingeborg Bachmann diesen - von der Autorin nie zur Publikation freigegebenen - Zyklus nach der Trennung von Max Frisch. Im nachgelassenen Band „Ich weiß keine bessere Welt“ ist er inzwischen veröffentlicht.

altDieter Schnebel hat diese zerrissenen hochexpressiven Gefühlsfetzen nicht  eigentlich „vertont“ oder gar „untermalt“. Er scheint sich vor allem dem Sprachduktus verpflichtet zu fühlen. Die Geräusche und Klänge der Instrumente und das Keuchen, Husten Atmen, das Flüstern und Sprechen in der Singstimme greifen das rastlose Kreisen im Unglück unsentimental auf - von einer quasi externen Beobachterposition aus. Die Wirkung ist umso dramatischer.

Brillant die Wiedergabe durch das Österreichische Ensemble für Neue Musik und die Altistin Susanne Otto unter der Leitung von Johannes Kalitzke. Zu seinem achtzigsten Geburtstag im Vorjahr sei der Zyklus bereits zwei Mal von deutschen Ensembles aufgeführt worden, erzählte Dieter Schnebel. Und, wie er bei der Probe gehört habe, mache auch das „Österreichische Ensemble“ seine Sache „sehr gut“. Dem ist nach der Aufführung nichts hinzuzufügen.

Bilder: dpk-klaba

 

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