asdf
 

Die Welt ist aus den Fugen

FESTSPIELE 2023 / OPER

09/12/22 „Wir haben schon entspanntere Zeiten erlebt“, sagt Markus Hinterhäuser. „Die Welt ist aus den Fugen“, befand schon Hamlet. Dieses Diktum könne in die Programmierung des Sommers einführen. Sprich: Die Opern sollen Abgründe ausleuchten, „ohne simple Aktualisierungen“ die Zustände der Gegenwart spiegeln.

Von Heidemarie Klabacher

Macbeth ist eine Unheilsoper“, sagte Markus Hinterhäuser heute Freitag (9.12.) bei der Programmpräsentation zum Festspielsommer 2023. Der Intendant begann, nicht spielplan-chornologisch, mit gleich zwei Opern von Giuseppe Verdi: Macbeth und Falstaff. Macbeth führe „in eine Welt der Besessenheit, der Verrücktheit, in eine Welt, in der die Nacht den Tag ersetzt“. Bewusst habe man beschlossen, „dieses große Vakuum als erste Oper ins Große Festspielhaus zu setzen. Weitere schlagkräftige Sprachbilder des Intendanten: „Eine Oper, die eine Blutspur hinterlässt“ oder „ein Irrewerden an den Exzessen der Macht“. Franz Welser-Möst wird dirigieren. Die Partie der Lady Macbeth gibt Asmik Grigorian.

Regie führen wird Krzysztof Warlikovski. Dieser wurde, wie einige weitere zentrale Künstler, per Video der Programmpräsentation im Haus für Mozart zugespielt: „Macbeth ist ein Monster. Aber was war er vorher“, so der Regisseur. Macbeth habe keine Vergangenheit. Er sei eine Tabula Rasa, die zu füllen ist. Am Beginn verlange er von den Hexen Sagt mir mein Schicksal. Und dann werde er ein Opfer seiner Frage.

In – scheinbar – größtem Gegensatz zu Macbeth stehe Verdis letzte Oper, Falstaff: „Alles löst sich in Heiterheit und Witz auf. Es ist ein Manifest der Respektlosigkeit“, sagt Hinterhäuser. In der Schlussfuge lautet der Text, alles sei ein Heidenspaß. „Aber ist das wirklich so“, fragt sich Hinterhäuser. Eine Fuge ist ein komplexes musikalisches Konstrukt, das Wort heißt aber auch ganz einfach „Flucht“... Christoph Marthaler ist der Regisseur, nach Hinterhäusers Einschätzung „der musikalischste Regisseur von allen, einer der mit den Protagonisten mit Zärtlichkeit und Respekt umgeht“. Dirigieren wird, coole Entscheidung, Ingo Metzmacher, der eigentlich als Experte fürs Zeitgenössische gilt. „Falstaff verlangt viel an Zwischentönen, verlangt kammermusikalisches Denken. Das ist bei Metzmacher gut aufgehoben“, erwartet der Intendant.

Schlenkerer zu den Pfingstfestspielen, welche Orpheus und Eurydike gelten werden: Die gleichnamige Oper von Gluck erklingt, in der selten gespielten Parma-Fassung von 1769, auch im Sommer. Gianluca Capuano leitet Les Musiciens du Prince Monaco und das Ensemble Il canto di Orfeo. Cecilia Bartoli singt die männliche Titelpartie.

Mozarts Le Nozze di Figaro gilt die erste Premiere. im kommenden Festspielsommer. Ein „Horror der Erkenntnis“. Mozart jage eine ganze Welt in die Luft. „Hierarchie. Macht. Herrschaft. Alles löst Mozart auf in einer Komödie.“ Die Aufführung des zugrundeliegenden Theaterstücks von Baumachais war ja nicht umsonst per kaiserlichem Dekrekt verboten. „Es geht um die Frage der Beherrschbarkeit von Menschen. Es ist das Aufklärungstheater par excellence, Lessings Nathan vielleicht das andere.“ Martin Kušej wird Regie führen, er hat einst mit Harmoncourt hier Don Giovanni und La Clemenza di Tito umgesetzt. Der zugespielte Regisseur: „Figaro ist nur oberflächlich eine Komödie. Alle sind sehr vereinzelt unterwegs, wie die Leute in den Städten halt einsam durch die Bars ziehen. Das hat nichts mehr mit dem Schloss des Grafen zu tun. Es sind verlorene Seelen, manche haben eine fast kriminelle Energie.“

Markus Hinterhäuser nennt Raphaël Pichon einen der trotz seiner Jugend „der bedeutendsten Mozartdirigenten“. Bei den Dirigenten nähmen die Festspiele „einen behutsamen, aber klaren Generationswechsel vor“, so Intendant Markus Hinterhäuser, denn "die Festspiele müssen auch perspektivisch denken.“

Die vierte Opern-Neuproduktion ist Die griechische Passion von

Bohuslav Martinů. „Kein Repertoirestück, aber ein Meisterwerk, eine Oper, die aufgeführt werden muss“, so der Intendant. Die Oper basiert auf dem Roman von Nikos Kazantzakis: Eine Gruppe von griechischen Dorfbewohnern führt alle sieben Jahren die Passionsgeschichte auf. Es gibt immer stärkere Identifikationen mit den biblischen Figuren in einer Welt der Heuchelei. Dazu kommt eine Gruppe von Menschen, die eine neue Heimat sucht und nicht akzeptiert wird. Regie führen wird Simon Stone, dirigieren Maxime Pascal, ein weiterer noch eher junger Dirigent. Mitte Dreißig, schon mehrmals Gast bei den Festspielen, einer der Gewinner des Young Conductors Award.

Konzertant erklingen werden Les Troyens von Hector Berlioz unter der Leitung von Sir John Eliot Gardiner, „eine Götterdämmerung auf der Folie der antiken Welt“, und Indian Queen von Henry Purcell unter der Leitung von Teodor Currentzis. Dieser wird auch zwei Aufführungen der c-Moll Messe leiten – am Pult seines neuen Utopia Orchesters. Eine weitere konzertante Oper: I Capuleti e i Montecchi von Vincenzo Bellini. Da spielt das Mozarteumorchester.

www.salzburgerfestspiele.at

 Bilder: Screenshots vom gestreamten Pressegespräch; T. Kolesnikov; Marc Campa

Zum Bericht von der Programmpräsentation
Und jeder geht zufrieden aus dem Haus
Zum Detailprogramm Schauspiel
Voll im Geist der Zeit  
Zum Detailprogramm Konzert
100 Metronome und einige Debüts 
Über den neuen Jedermann
Valerie Pachner und Michael Maertens

 

 

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014