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Endlich mit-tanzen!

FESTSPIELE 2024 / DAS SCHAUSPIEL

12/12/23 Ernsthaft beleidigt kann der Ex-Jedermann auf die Festspiele nicht sein: Michael Maertens liest Briefe von Alexey Nawalny aus der russischen Gefangenschaft. Die neue Schauspielchefin Marina Davydova setzt auf Stücke „nach“ Zweig, Thomas Mann, Sophokles & Co. Und bringt „nicht so Textbasierendes“ samt Tanz ins Schauspiel.

Von Heidemarie Klabacher

In drei Schwerpunkten mit je zwei Produktionen stellt Marina Davydova den Menschen jeweils in Beziehung zur Transzendenz, zu seiner Geschichte und zu seinem Körper. Thomas Manns Roman Der Zauberberg wird von Krystian Lupa für Salzburg neu geschrieben. Der polnische Theaterregisseur wird auch Regie, Bühne und Licht verantworten. Lupa mache „das Sanatorium am Vorabend des Ersten Weltkriegs zu einer Art Arche Noah, auf der die Charaktere aus der Realität flüchten“, so Davydowa. Die Premiere der Neuinszenierung ist 20. August im Landestheater. Vier weitere Vorstellungen folgen bis 28. August. Eine Orestie nach Aischylos, Sophokles und Euripides entsteht ebenfalls brandneu: „Nicolas Stemanns Neufassung dieser antiken Werke entsteht vor dem Hintergrund einer Gegenwart, in der die Demokratie und der Pazifismus immer mehr infrage gestellt werden.“ Es ist, nach dem Faust-Marathon von 2011 und Schillers Räubern von 2009 die dritte Arbeit Stemans für Salzburg. Premiere der Koproduktion mit dem Thalia Theater Hamburg ist am 3. August auf der Perner-Insel. Sieben weitere Vorstellungen bis 15. August. Soweit der Schwerpunkt „Mensch und Transzendenz“.

Der Schwerpunkt „Mensch und Geschichte“ umfasst auch zwei Produktionen: Die Sternstunden der Menschheit von Stefan Zweig werden, von einem Schweizer Musiker, Regisseur und Bühnenbildner, ebenfalls aufpoliert: „Thom Luz zeichnet in der von ihm kreierten Fassung verantwortlich für Regie und Sound-Design, durch das er eine musiktheatrale Verbindung zwischen Zweigs Texten und den Sphären seines südamerikanischen Exils schafft. Klänge und Sprachfragmente werden übereinandergelegt.“ Davydowa betonte beim Pressegespräch, das Ganze sei „nicht so text-basierend“. Premiere der Neuinszenierung ist am 27. Juli im Landestheater. Sieben weitere Aufführungen folgen bis 8. August.

Der Komponist und Theatermacher Heiner Goebbels erzählt mit dem Musiktheater Everything That Happened and Would Happen von der der zerstörerischen Geschichte Europas der vergangenen hundert Jahre. Es werden, so die Schauspielchefin „Musik, Licht, Performance, Sprache, Objekte und Filme zu einer multidimensionalen Installation vereint“. Tänzerinnen, Performer Musiker und Musiker wirken mit. Premiere der Kooperation mit der Kulturhauptstadt Europas Bad Ischl Salzkammergut 2024 ist am 23. August auf der Perner-Insel. Es folgt eine weitere Vorstellung am 25. August.

Der „Mensch und sein Körper“ stehen im Zentrum zweier Tanz-Produktionen innerhalb des Schauspielprogramms. Spiegelneuronen heißt eine gemeiname Produktion von Sasha Waltz und Rimini Protokoll: „Dieses Stück entsteht in jeder Aufführung von neuem. Es geht um das Verhältnis von Gehirn und Körper. Das Publikum ist wesentlicher Teil des Experiments. Es ist eingeladen, nicht nur den Tanz zu verfolgen, sondern auch sich selbst zu bewegen, als aktiver Teil eines gemeinsamen Systems zu agieren.“ Stefan Kaegi von Rimini Protokoll verantwortet Konzept und die Regie, es performen Tänzerinnen, Tänzer und Gäste von Sasha Waltz. Uraufführung ist am 14. August in der Szene Salzburg. Fünf weitere Aufführungen folgen bis 21. August.

Um die Vermutung/Hoffnung, es könnte sich um eine Theaterproduktion handeln, gleich gar nicht aufkommen zu lassen, betont die Schauspielchefin: „Ein Mittsommernachtstraum hat nichts mit Shakespeare zu tun.“ Um Verzauberung solle es aber gehen: „Im Zwielicht der hereinbrechenden Nacht verschwimmen die Grenzen von Fantasie und Wirklichkeit. Am Ende ist nicht gewiss, ob unsere fantastischen Träume in Wahrheit nicht viel fantastischere Wirklichkeiten sind.“ Premiere des von Alexander Ekman zur Musik von Mikael Karlsson choreografierten Balletts ist am 27. August im Haus für Mozart. Eine weitere Vorstellung folgt am 29. August.

Zu diesen sechs Produktionen kommen noch einzelne Veranstaltungen, etwa eine „performative Diskussion“ über künstliche Intelligenz mit Stefan Kaegi oder Asmik Grigorian – und einer künstlichen Intelligenz namens Morpheus am15. August in der Szene Salzburg. Am 17. August präsentieren Simon Strauß und Zino Wey in einem Lesemarathon in der Universität Mozarteum vergessene Stücke österreichischer Dramatik aus drei Jahrhunderten. Dazu kommen drei Lesungen:
Am 31. Juli liest Michael Maertens im Landestheater unter dem Titel Hallo, hier spricht Nawalny aus dessen Gefängnisbriefen. Sicher eine der wichtigsten Veranstaltungen des Festspielsommers 2024: „Alexey Nawalnys Briefe erzählen die Geschichte eines russischen Widerstands – und davon, wie man unter unmenschlichen Bedingungen Menschlichkeit bewahrt.“ Große Namen fallen immer wieder: Jens Harzer und Marina Galic bestreiten am 7. August im Landestheater die Erstlesung des jüngsten Werks von Botho Strauß: Saul ist die „Biografie“ des ersten Königs der Israeliten. Ein Sprachkunstwerk ist zu erwarten.

Aus dem Briefwechsel zwischen Rainer Maria Rilke, Marina Zwetajewa und Boris Pasternak im Jahr 1926 lesen am13. August im Großen Saal der Stiftung Mozarteum Burghart Klaußner, Valery Tscheplanowa und André Jung, „ein Briefwechsel, der alle Grenzen nationaler und kultureller Identität hinter sich lässt“

www.salzburgerfestspiele.at 
Bild: SF/Neumayr/Leo
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