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Konfessionelles Denken: eine vergangene Sache?

HINTERGRUND / PROTESTANTENVERTREIBUNGEN

14/03/16 Lang hat es gedauert, bis ein Salzburger Erzbischof ein Wort der Entschuldigung für die Protestantenvertreibung von 1731/32 vorbrachte: Das war erst Erzbischof Andreas Rohracher, vor fünfzig Jahren. Aber auch die Salzburger Evangelischen haben sich nicht beeilt: Erst gestern, Sonntag (13.3.) haben sie die Entschuldigung Rohrachers offiziell angenommen.

Anlass für die Vergebungsbitte des Erzbischofs war die Amtseinführung des ersten evangelischen Superintendenten der neu eingerichteten Superintendenz Salzburg und Tirol am 27. März 1966, also vor einem halben Jahrhundert. Mit einem Symposion und einem ökumenischen Dankgottesdienst haben die katholische und evangelische Kirche am Sonntag in der evangelischen Christuskirche in Salzburg an das historisches Ereignis erinnert, das das Verhältnis der Kirchen zueinander wesentlich geprägt hat.

Dem ökumenischen Gottesdienst am Sonntag standen der lutherische Bischof Michael Bünker und der Salzburger Erzbischof Franz Lackner gemeinsam vor. Lackner zeigte sich erfreut über die Annahme der Vergebungsbitte. Er sei „dankbar für die Prozesse des ökumenischen Miteinanders in den letzten 50 Jahren“. Zu Beginn des Symposiums, das dem Gottesdienst voranging, hatte der Erzbischof erklärt: „Man muss an dieser Stelle auch die Frage zulassen, ob es überhaupt möglich ist, Verbrechen, die von anderen zu anderen Zeiten begangen worden sind, zu verzeihen.“ Freilich sei es möglich, „auf Seiten der Schuldigen für erlangte Schuld um Verzeihung zu bitten“. Das habe Erzbischof Rohracher getan.

Bischof Bünker sprach am Rande der Veranstaltung in einem Kathpress-Gespräch von einem „bedeutenden Zeichen für das neue Miteinander der Kirchen und das generell gute ökumenische Klima in Österreich“. Der damalige evangelisch-lutherische Bischof Gerhard May habe sich seinerzeit für das Aussprechen der Vergebungsbitte zwar bedankt, der evangelischen Kirche sei es aber wichtig, nun ein offizielles Zeichen der Annahme der Vergebungsbitte zu setzen.

„Wir nehmen die Bitte um Vergebung an“, so Bischof Michael Bünker im Gottesdienst, wie der Evangelische Pressedienst (epdÖ) berichtete. Auch die evangelische Kirche habe Schuld auf sich geladen, heißt es in der Annahme der Vergebungsbitte, die Superintendent Olivier Dantine verlas. Dies sei auch dadurch verdunkelt worden, dass sich Evangelische gerade im heutigen Österreich oft in erster Linie als Opfer von Unrecht gesehen hätten. Mittlerweile habe die evangelische Kirche die Nachfahren der Täuferbewegung für die blutige Verfolgung, die eben auch von Evangelischen betrieben wurde, um Vergebung gebeten.

Das Vatikanische Konzil habe Erzbischof Rohracher „tiefgreifend verändert“, erklärte die evangelische Theologin Prof. Susanne Heine in ihrem Eröffnungsreferat beim Symposion. Das Konzil sei, so Heine, „von ökumenischem Geist getragen“ und auf Erneuerung der römisch-katholischen Kirche ausgerichtet gerwesen. Man habe Vertreter der Kirchen der Reformation als Beobachter eingeladen. Evangelische und Katholiken hätten seitdem „gemeinsam einen neuen Weg beschritten“.

Rohrachers Einstellung zur Ökumene spürte der Salzburger Kirchenhistoriker Dietmar Winkler nach. Schon vor dem Konzil ließen sich durchaus ökumenische Ansätze bei Rohracher erkennen, dennoch habe das Konzil dann bei Rohracher eine „ökumenische Wende“ bewirkt. Zudem habe die vertrauensvolle Beziehung zwischen dem vormaligen Salzburger Pfarrer und späteren Superintendenten Emil Sturm und dem Salzburger Erzbischof Andreas Rohracher eine wichtige Rolle gespielt.

Zu Wort kamen beim Symposium auch Zeitzeugen, darunter der frühere Bischof der evangelisch-lutherischen Kirche, Herwig Sturm, Sohn des damaligen Superintendenten Emil Sturm, und Prälat Johannes Neuhardt. Beide unterstrichen das starke Engagement von Rohracher und Sturm in der Flüchtlingsfrage. Rohracher, so Neuhardt, habe eine „große Veränderung“ durchlebt und nach dem Konzil deutlich gemacht, „dass das enge konfessionelle Denken der Vergangenheit angehört“.

Die große Welle der Protestantenvertreibungen fand unter Fürsterzbischof Leopold Anton von Firmian statt, der 1731/32 rund 22.000 Salzburger Lutheraner („Salzburger Exulanten“) des Landes verwies. Die Vertriebenen stammten vorwiegend aus dem Pongau und dem Pinzgau. Knapp zwei Drittel aller Bauernhöfe in den beiden Gebirgsgauen blieben verwaist zurück, was den größten Bevölkerungsverlust bedeutete, den Salzburg je erfahren hatte. Viele Exilanten fanden Aufnahme in einigen Freien Reichsstädten und in den Niederlanden. 15.000 Salzburger fanden Aufnahme bei König Friedrich Wilhelm von Preußen, der sie in Ostpreußen ansiedelte, andere emigrierten nach Nordamerika und beteiligten sich an der Gründung der Kolonie Georgia. (KAP)

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