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Belcanto der neuen Musik

NACHT DER KOMPONISTEN

26/11/12 Seit gut zwei Jahrzehnten gibt es die „Nacht der Komponisten“ in Salzburg. Wer hätte anno 1992 gedacht, dass jemals Namen wie Georg Kreisler oder Hubert von Goisern in einem Avantgarde-Programm auftauchen könnten?

Von Gottfried Franz Kasparek

Die reinen Lehren der Neuen Musik haben mittlerweile ausgedient, auch wenn ein Teil des Feuilletons und der hehren Wissenschaft dies nicht akzeptieren wollen. Gut so, denn die Verbannung jeglicher Dreiklangseligkeit, jeglichen verständlich artikulierten Gefühls und jeglicher Gesanglichkeit aus der Musik hat Gräben aufgerissen, die heute schwer zu schließen sind.

Immerhin, es gibt Komponisten wie Fazil Say oder John Adams, die abseits des Mainstreams der Moderne ihre Erfolge feiern und keine ästhetisch beschränkten Spezial-Festivals brauchen. Und es gibt rund sechzig Komponisten in Salzburg, die in vielfältigen Ausdruckswelten spannende Musik schreiben. Darunter eine Frau, Sebastiana Ierna, welche die heutzutage seuchenhaft auftretenden Binnen-I-Verkrampfungen nicht nötig hat und deren neues Stück für Streichquartett „Ricordi di un viandante“ (Erinnerungen eines Wanderers) für Klarinette und Streichquartett tiefen Eindruck hinterließ – so originell und dabei so wundersam emotional kann Musik der Gegenwart sein.

Dasselbe gilt für Johannes Kotschy, einen der unterschätzten Stillen im Lande, und sein klangschönes, von Dolores Rauter ebenso gespieltes Harfenstück „Pareo“ nach einem Südsee-Gedicht Paul Gauguins; das gilt mit allen persönlichen Farben für schon bekannte Stücke von Herbert Grassl, Alexander Müllenbach und das gilt sowie – bedingt – für Paul Walter Fürst. Der gottlob bislang seiner Begabung, aus der Tonalität neu zu schöpfen, treu gebliebene Jakob Gruchmann hat wirkungsvolle Blechbläserquintette nach Jesaja geschrieben, womit wir beim eigentlichen Motto dieser „Nacht“ wären.

„Höre, so lebt deine Seele“ lautete es, herrlich musikalisch, und Chormusik stand im Zentrum. Siehe da, Oliver Krafts „Jan Skácel-Lieder“, Thomas Daniel Schlees Motette „Dann steht der Mandelbaum in Blüte“, Hartmut Schmidts „Nur noch kurze Zeit“, die wahrlich „altmeisterlichen“ Beiträge von Günther Firlinger, Michael Walter, Armin Kircher, Josef Grabner, Laurence Traiger und Franz Zaunschirm, die luzide, vokal-instrumentale Tondichtung „Ikarus“ von Wolfgang Danzmayr, die eindringlich formulierte Hopi-Weissagung „Der letzte Baum“ von Stefan David Hummel, die kunstvolle Motto-Vertonung von Agustin Castila Avila und Urban Östlunds für Schauspieler gedachte Shakespeare-Lieder – all diese Stücke eint der Wille, Musik für die menschliche Stimme und ihre Schönheit zu schreiben: Musik, die man singen kann, nicht schreien, krächzen, gurgeln muss. Ganz besonders manifest wurde dies in den berührenden „3 Liedern für 4stimmigen Chor a cappella“ von Klemens Vereno, komponiert 2007, nun endlich uraufgeführt: Trakl mit Hauptmann und Weinheber durchaus mutig verbindend.

Der Kammerchor Salzburg unter Martin A. Fuchsberger bot dabei die wohl reifste Chorleistung des Konzerts. Johannes Krall hat eine witzige Studie über die Zeit und die Sprache geschrieben, auch sie landet im Gesang. Zwischen all dem Belcanto wirkte Wolfgang Niessners neu gefasste, experimentelle „Sprachskulptur über den Krieg“ nicht fremd, sondern als ausdrucksstarkes Bekenntnis.

Georg Kreisler, vor einem Jahr gestorben, wäre jetzt Neunzig. Sein instrumentaler „Segen“, ungeniert romantisch, und seine ehrlich formulierten „5 Lieder für Barbara“, verinnerlicht gesungen von Kristina Busch, weckten das Interesse für die „klassische“ Musik des großen Chansonniers und Kabarettisten. Wo seine Genialität ihr Zentrum hatte, zeigten wohl doch die den langen Abend beschließenden Chansons vom Frauenmörder, vom Triangelspieler und von brennenden Zirkus, phänomenal, weil nicht Kreisler kopierend, gestaltet von Clemens Ansorg, stilsicher begleitet von Magdalene Reich.

Für interpretatorische Qualität sorgten neben den schon Genannten in dieser exakt um Mitternacht endenden „Nacht“ das Ensemble Musicacosi der Uni Mozarteum unter Carlos Chamorro, die ungemein präsenten Herren von „Voices unlimited“, auch mit Liedern des Männerchor-Erfinders Michael Haydn und einer bejubelten Zugabe-Nummer des Goiserers – die „Comedian Harmonists“ ließen grüßen.

Die Schulchöre der Ursulinen und der Rudolf-Steiner-Schule gaben ihr Bestes und also sehr viel. Erfrischend, dass mit Benjamin Sattlecker, 19jährigerWaldorf-Maturant, ein begabter Jungkomponist mit echtem Kavaliers-Bariton zu Wort und Klang kam. Beachtlich der nicht nur belcanteske Belcantochor Salzburg und das Ensemble Diagonal-Vokal, beide geleitet von Gertraud Steinkogler-Wurzinger, in musikalischer Hinsicht ebenso das Vokalensemble des Mozarteums unter Alexandra Helldorf, welches freilich die Artikulation der deutsche Sprache noch trainieren muss, während der zweite Jahrgang der Schauspielklasse weder mit Shakespeare-Englisch noch mit Singen ein Problem hatte.

Für den instrumentalen Teil sorgten in guter Qualität das von David Danzmayr bestens trainierte Ensemble acrobat und das tonschöne „Junge Blech Salzburg“. So unterhaltsam und vergnüglich kann eine „Nacht der Neuen Musik sein“ – die Organisatoren Stefan David Hummel und der konzis moderierende Klemens Vereno vor den Vorhang!

Bild: www.danzmayr.eu (1); www.ig-komponisten.at (3)

 

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