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... ist gerichtet, ist gerettet...

FESTSPIELE / JEANNE D’ARC / WALTER BRAUNFELS

02/08/13 Die Jungfrau von Orleans ist eine Leitfigur des Festspielsommers: Schillers Drama geht im Landestheater über die Bühne. Anna Netrebko wird konzertant in die Rolle von Giuseppe Verdis „Giovanna d’Arco“ schlüpfen. Und Juliane Banse brillierte am Donnerstag in der Felsenreitschule in der konzertanten Aufführung der Oper „Jeanne d'Arc“ von Walter Braunfels.

Von Heidemarie Klabacher

Walter Braunfels - 1882 bis 1954 – war um 1920 einer der bekanntesten Opernkomponisten Deutschlands: Knappertsbusch, Walter oder Furtwängler brachten seine Werke zur Uraufführung. Braunfels war ein gefragter Pianist und wurde 1925 zum Direktor der neu gegründeten Kölner Musikhochschule ernannt. Dann kamen die Nazis, der Halbjude wurde – weil zu modern – verfemt. Nach dem Krieg wurde er – weil zu romantisch – als veraltet abgelegt. Mit dem Erfolg, dass sein Oevre heute ziemlich vergessen ist.

Seine Oper „Jeanne d’Arc“ erinnert stilistisch ebenso an Hindemith und Schreker, wie an Pfitzner oder Zemlinski: Braunfels muss den Vergleich mit diesen Komponisten nicht scheuen. Walter Braunfels verfügt zudem über ein durchaus eigenständiges Klangvokabular, das er aus der Beschäftigung etwa mit dem Gregorianischen Choral oder der Musik- und Formensprache der Renaissance entwickelt hat.

Mit einem Wort: Die „Szenen aus dem Leben der Heiligen Johanna“ sind aufregende hochqualitative Musik, die den Kitsch- oder Frömmelei-Vorwurf der Zeitgenossen Braunfels’ nicht verdient, auch wenn sich tatsächlich nichts „Atonales“ drin findet. Die wenigen großen schwelgenden Apotheosen sind gezielt und spannungsvoll aufgebaut – brillant umgesetzt haben das alles das ORF Radio-Symphonieorchester Wien und der Salzburger Bachchor unter der Leitung von Manfred Honeck – und geben nach dem kurzem strahlendem Erblühen sofort wieder der sprach- und textnahen Deklamation der Solistenpartien Luft und Raum.

400Braunfels hat das Libretto selbst geschrieben: eine stilistisch knappe und klare Textvorlage, die die Charaktere mit knappen Zügen klar und anschauliches hervortreten lässt.

So ist die Jeanne, die Jungfrau zunächst ein naives fröhliches Mädchen, dass wie selbstverständlich mit den Heiligen unter dem großen Baum auf der Schafweide plaudert: „Weißt du auch, wer ich bin“, fragt die Heiligen Katharina. „Ei freilich, du hast mir’s ja neulich gesagt“, antwortet Jeanne. Auch die von den Heiligen geforderte Fahrt an den Hof des französischen Königs (den neben den Engländern die Zweifel an seiner Legitimität plagen) ist für das Kind zunächst ein großes Reise-Abenteuer: „O meine Schafe, hättet ihr das gedacht, dass Johanna jetzt so weite Reise macht…“ Im Umgang mit den Großen bleibt sie unbefangen. Im Kampf und später im Gefängnis verliert wohl ein wenig von ihrer heiteren Naivität, bleibt sie selbst – und wächst zugleich über sich hinaus zu geradezu überirdischer Größe. Der Librettist hat für seine Jeanne die originalen Prozessakten studiert – und seiner Opernfigur den Hintergrund der historischen Person zu geben versucht. – Das Schicksal seiner Jeanne bewegt.

Das ist vor allem der Sopranistin Juliane Banse zu verdanken, die die Entwicklung Jeannes vom Schäferkind zur Heldenjungfrau und zur Martyrerin im Ausdruck subtil und sängerisch brillant umsetzt: Wortdeutlich auch in der raschen Deklamation, strahlend sicher im Stimmsitz über alle Lagen, wunderschöne Kantilenen ziehend.

Ihr zu Seite steht eine ganze Riege hervorragender Sängerinnen und Sänger. Johan Reuter sang die Partie des Gilles de Rais: Dieser Edelmann steht auf Jeannes Seite. Er hofft, mit den Siegen der wundertätigen Jungfrau selber zum Heil zu finden und fürchtet, mit ihrem Untergang dem Bösen anheim zu fallen (Blaubart ist sein verhängnisvoller Spitzname…). Ruben Drole sang die Partie des Herzogs von La Trémouille: Er steht dem wundersamen Treiben als einziger offen mit Ironie, Skepsis und Ablehnung gegenüber: virtuos sang Ruben Drole die rhythmisch pointierten Sticheleien: „Mag ihr’s gelingen eine Weile, weil Narren gehen’n so gern am Seile“, singt er in seinem großen Monolog. Sein spöttisches „Hahahahaha“ ging durch und durch.

Der Salzburger Bachchor gestaltete souverän Volkes- und Himmels Stimme und Stimmungen. Das ORF Radio-Symphonieorchester Wien spielte die durchaus „romantischen“ Passagen mit lustvoll zelebrierter großer Geste, war unter der Leitung mit Manfred Honeck aber in jeder Phrase bereit zum Sprung oder Rückzug in federnde pointierte Rhythmen oder strahlende Fanfaren oder feine Holzbläserkantilenen. Manfred Honeck hat einen großen dramaturgischen und musikalischen Bogen gespannt, quasi vom Geplauder der Heiligen unter dem Baum bis zum Tod auf dem Scheiterhaufen – vorwärts drängend, bewegend.

Bilder: SFS/Silvia Lelli

 

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