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Herum geschupft zum Gotterbarmen

LANDESTHEATER / HAUS FÜR MOZART / RIGOLETTO

27/10/14 Da sitzt der Herzog von Mantua, eigentlich ein Schwerenöter von Don-Giovanni-Dimensionen, an Gildas Bettkante. Und es passiert etwas, was für ihn selbst überraschend kommt: echte Gefühle, Anflüge aufrichtiger Zuneigung! Wie ein Erstling in Sachen Amouren hält er sich mit einer Hand am Gestänge des Eisenbetts fest…

Von Reinhard Kriechbaum

Gilda ihrerseits, die von der Welt noch nichts, dafür von ihrem Hofnarren-Vater Rigoletto mehr als genug gesehen hat, weiß ihrerseits nicht, wie ihr in diesem Moment geschieht. – Solche Szenen, da läuft die Regisseurin Amélie Niermeyer zur Vollform auf. In der quasi kammerspiel-feinen Herausarbeitung der seelischen Feinmotorik zwischen den Protagonisten offenbart sich die Qualität dieser Inszenierung im Haus für Mozart.

Dort spielt das Salzburger Landestheater jetzt also „Rigoletto“, eine Aufführung, die man herzeigen und vor allem auch hören lassen kann. Adrian Kelly steht am Pult des Mozarteumorchesters, hält den Ton auf einem hohen emotionalen Pegel, ohne die Sänger zuzudecken. Vor allem hält er die Begleitfloskeln so flexibel, dass für die Sänger jede Chance zur Lautstärke-Differenzierung offen bleibt. Auch da stimmt, in meist guter Synchronisation mit der Bühne, die Feinmotorik.

Sehr geschickt hat man Sänger eingekauft: Ivan Inverardi, ein Spitzenbariton des italienischen Fachs, ist Rigoletto – ein behäbiger Tanzbär, dessen geschmeidiges Timbre gerade in der hohen Lage so gar nicht zum plumpen Äußeren passen will (aus dieser Diskrepanz wird die Regisseurin schöpfen können). Jedenfalls ein rundum verwundbarer Rigoletto, der die (in diesem Umfeld wohl begründete) Tochter-Bewachungs-Neurose sängerisch hoch differenziert auslebt. Dass er sich oft eine Totenkopfmaske überstülpen muss, passt zur reichlich rohen Atmosphäre einer Männergesellschaft. Doch davon später.

Gilda, ein zerbrechlich-filigranes Geschöpf, kriegt es wohl gelegentlich mit der Angst zu tun. Eri Nakamura ist diese zarte, auch vokal so berührend fein gestaltende Frau, die von den Rohlingen, die sie entführt haben, herum geschupft wird zum Gotterbarmen. Der Herzog von Mantua: Der Albaner Rame Lahaj bringt wohl alles mit für diese Rolle, optisch sowieso. Seine Stimme ist juvenil beweglich, in allen Lagen perfekt ausgeglichen und in den Hochtönen durch nichts einzubremsen. Einar Th. Gudmundsson ist ein beängstigend präsenter Monterone, der Rigoletto und den Herzog verflucht.

Mit solchen Hauptprotagonisten kann nichts schief gehen. Aber es laufen auch so manche aus dem eigenen Sängerensemble bis hin zu Mitgliedern des neuen Gerard-Mortier-Opernstudios des Landestheaters zur Vollform auf. Tamara Gura als Maddalena macht nicht nur optisch gute Figur, Alexey Birkus ist ein gefährlich-leiser Auftragsmörder Sparafucile. Bis in die kleinsten Rollen wird die gute Vorbereitung spürbar, und Adrian Kelly hat die Fäden mit sicherer Kapellmeisterhand im Griff.

Wo nun spielt dieser „Rigoletto“? Alexander Müller-Elmau hat der Regisseurin eine bedrohlich farb-dumpfe Bühne gebaut, das Zentralquartier einer Militärjunta vielleicht, eine Nur-Männergesellschaft jedenfalls. Mit dem Lift fahren die Protagonisten von einem Stockwerk ins andere, in einem Haus, das Mördergrube und Bordell in einem ist: trist, bedrohlich. Freudenmädchen und Kinder werden vorgeführt im ersten Akt. Da tragen die Männer noch Uniformen, mancher schnappt sich ein Lustobjekt und verschwindet durch eine der Türen. Kindern wird arg mitgespielt.

Dieses erste Bild ist, so krass es wirkt, doch das Schwächste in der Regie von Amélie Niermeyer. Ihre Arbeit entfaltet erst später in der Personenführung ihre hohen Qualitäten. Da ist ja zuerst einmal die bewegte Musik eines höfischen Fests – und dazu wollen die Schockstarre, das Lähmende einer latent regierenden Brutalität so gar nicht passen. Müssen es militärische Uniformen, Anspielungen auf den Faschismus der dreißiger Jahre sein? Wäre nicht ein UNO-Meeting mit Protagonisten à la Dominique Strauss-Kahn wesentlich näher bei uns – und zugleich deutlich kongruenter mit der literarischen Vorlage für den „Rigoletto“, Victor Hugos Drama „Le roi s’amuse“? Man kann auch zu dick auftragen.

Je kammerspielartiger die Szenerie, umso erhellender dann die Regie von Amélie Niermeyer. Wie sie im Quartett Rigoletto, den Herzog, Gilda und Maddalena zur Figurengruppe zusammen zwingt, ist psychologisch gut gedacht und setzt Handlungs-Ungereimtheiten locker außer Kraft. So wird aus diesem „Rigoletto“, der in brachialer maskuliner Tumbheit beginnt, ein dann beinah auf überraschende Weise berührendes, packendes Musikdrama.

Aufführungen bis 12. November im Haus für Mozart – www.salzburger-landestheater.at
Bilder: Salzburger Landestheater / Christina Canaval

 

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