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Selbst die Gewalt war „früher“ netter

SALZBURGER FESTSPIELE / WEST SIDE STORY

21/08/16 Wenn Cecila Bartoli mit – zum Beispiel – dem Countertenor Andreas Scholl „Giulio Cesare“ singt, stehen Atem und Welt still. Und wenn Cecila Bartoli mit dem amerikanischen Tenor Norman Reinhardt „West Side Story“ singt? Da wollen die Tränen der Rührung einfach nicht fließen. Dafür zündet der Funke, den Jets, Sharks & Girls mit Gesang und Tanz aus dem Boden der Felsenreitschule schlagen.

Von Heidemarie Klabacher

Trotzdem natürlich Jubel für Cecila Bartoli. Aber wenn man den Applaus nach der Wiederaufnahme-Premiere am Samstag (20.8.) in der Felsenreitschule mit dem Lautstärke-Messer nachhören wollte – würde die Phonzahl für die grandiose Karen Olivo als Anita nicht doch ein wenig höher ausfallen? Selbst der Bartoli-Fan muss einräumen, dass die Performance der Primadonna assoluta neben der preisgekrönten Broadway-Darstellerin sängerisch und stilistisch einfach blass geblieben ist.

Zwei Marias gibt es ja in der „West Side Story“ des Broadway-Regiestars Philip Wm. McKinley: Cecilia Bartoli ist im Programmbuch als „Maria present“ geführt: Die alternde Maria erinnert sich an ihre kurze Liebe zu dem Burschen aus der falschen Clique… La Bartoli ist omnipräsent zwischen den kämpfenden, liebenden und leidenden jungen Leuten (Geistern der Vergangenheit?), wirft sich am Ende in Schwindel erregender Höhe vor den Zug und singt zuvor eben die Maria-Nummern aus dem Musical.

Das wirkt besonders gewöhnungsbedürftig im Duett, wenn der Tony der Produktion, der hervorragende Norman Reinhardt, die junge Maria in Armen hält, nämlich die hinreißende Schauspielerin Michelle Veintimilla, die als „Maria past“ dann zum Gesang der Bartoli die entsprechenden Gesten machen muss.

Doch rund um die damit ein wenig befremdlichen Karaoke-Herzstücke – „Tonight“ oder „One Hand, one Heart“ – überzeugt das grandiose Ensemble der präzise typengerecht gecasteten Musical-Expertinnen und Experten: ein einziger mitreißender Rausch an Farbe und Bewegung in den Kostümen von Ann Hould-Ward und in der Choreografie von Liam Steel. Die flexible Bühne von George Tsypin schafft Raum für Kampf und Tanz und intime Begegnungen.

Gustavo Dudamel am Pult des Simón Bolívar Symphony Orchestra of Venezuela heizt den Jets und den Sharks nach Kräften ein – stürmisch, lauthals, mit Temperament und Feuer und doch sehr präzise mit viel Raum für subtil getönte Farben und Klänge.

Die Regie von Philip Wm. McKinley siedelt die Story strikt in den 1950er-Jahren an. „Damals“ war alles besser, selbst das „Integrationsproblem“. Auch mit der Gewalt war es noch nicht weit her – und irgendwie sind alle schreckensstarr nach der tödlich endenden Rauferei. Ein braver Officer Krupke wurde in der Mitte vorigen Jahrhunderts schlimmstenfalls Opfer eines Spottliedes „jugendlicher Delinquenten“, welches genauer betrachtet gar nicht so harmlos wäre... Dennoch bleibt diese „West Side Story“ ein beschauliches Historiengemälde.

Weitere Aufführungen am 23., 25., 27., und 29. August in der Felsenreitschule - www.salzburgerfestspiele.at
Bilder: Salzburger Festspiele / Silvia Lelli

 

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