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Vom Barock und anderen heilen Welten

FESTSPIELE / WIENER PHILHARMONIKER / RICCARDO MUTI

14/08/16 Es gab eine Zeit, da war Richard Strauss vorne dran. Ziemlich weit vorne sogar dann, wenn es galt, zurück zu schauen. Davon zeugt die Orchestersuite „Der Bürger als Edelmann“, die Riccardo Muti und Wiener Philharmoniker vor Bruckners „Zweiter“ hören ließen.

Von Reinhard Kriechbaum

Die Rückschau in bessere Zeiten lag in der Luft nach dem Zusammenbruch der Monarchie und nach dem Ersten Weltkrieg, Strawinsky war in die gleiche Richtung unterwegs wie Prokoffjew (Symphonie classique) oder – willkürlich herausgegriffen – Respighi mit seinen „Antiche danze ed arie“. Nicht aufs Fin de sièce hat man zurückgeschielt (zu unerfreulich, hatte das Kriegs-Schlamassel doch dort den Ausgang genommen). Man ging gleich mehrere Epochen weiter zurück. Der Barock lockte. Die Ergebnisse waren individuell verschieden, aber alle Komponisten waren sich einig: „Originalklang“ war 1918/20, nie und nimmer das Ziel, sondern die Anverwandlung ans damalige Heute und den jeweiligen Personalstil. Im Fall des Post-Rosenkavalier'schen Strauss traf maximaler Wiener Charme aufs Frankreich des Molière.

Genau dahin zielten Riccardo Muti und die Philharmoniker. Nur, wer den Wiener Walzer im Blut hat, lässt eine Courante so klingen. Nur ein Klangfarben-Mischer vom Format eines Richard Strauss konnte auf die Idee kommen, Lully mit geteilten Bratschen im Schlurfschritt zu porträtieren/karikieren. Wie sich im Posaunen-Solo der Fechtmeister in Szene setzt und im spitzen Stich der Piccoloflöten seine überraschenden Volten durchführt! Reden wir gar nicht erst von der Tafelmusik im letzten der neun Sätze (die ironischen Zitate verlangen ob der Verfremdungen einigermaßen kundige Hörer).

Mit Lust und Laune hat Riccardo Muti also den Philharmonikern – die auf diesem Terrain quasi bei sich selbst sind wie selten sonst wo – die eine oder andere Pointe zusätzlich nahe gelegt. Viel braucht man den Philharmonikern beim „Bürger als Edelmann“ wahrlich nicht sagen. In der Polonaise hätte es bei den geteilten Geigen vielleicht ein wenig mehr Arbeit an der Intonation sein dürfen. Bis zur Rundfunk-Liveübertragung morgen Montag (15.8.) kann Rainer Küchl auch noch sein Geigensolo ein wenig auffrischen. Samstag (13.8.) klang's recht schräg. Sehr Pikkant dafür Gerhard Oppitz im kurzen Klaviersolo.

Dann Bruckners „Zweite“. Auch die haben die Philharmoniker schließlich uraufgeführt, freilich nachdem sie dem Komponisten die Erstfassung um die Ohren gehauen und eine Aufführung abgelehnt hatten. Folgerichtig griff man zur Zweitfassung. Andere mögen über die legendären Generalpausen hinweg immer das nächste Forte im Blick haben: Riccardo Muti hält es mehr mit den lyrischen Passagen und er sucht, auch wenn das Blech sich einmengt, nach dem Melos. Die außerordentlich zwingend ausgebreitete Ruhe, das absolut zeit-lose Ausklingen des zweiten Satzes mit Soloflöte, -violine, -klarinette: Das hört man so nicht oft. Auch im Finale lässt Muti sich nicht auf die Blechgipfel hetzen, sondern er kostet mit bemerkenswerter innerer Ruhe die quasi pastoralen Einsprengsel und Langzeit-Aufhellungen aus.

Auch bei Bruckner der Eindruck höchster Kollegialität zwischen Muti und seinen Musikern. So ohne Kräftemessen geht Bruckner selten ab, und das war gerade der nicht unheiklen „Zweiten“ höchst dienlich. Ein richtig schöner Vormittag.

Das Konzert im Großen Festspielhaus wurde bzw. wird am 14. und 15. 8. wiederholt. Live in Ö1 morgen Montag (11.03 Uhr).
Bild: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli

 

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