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„Perfekte Fahrstuhlmusik“ und die Noten dahinter

INTERVIEW / FESTSPIELE / PETER SELLARS, TEODOR CURRENTZIS

25/07/17 Wer ist hier eigentlich der Regisseur und wer der Dirigent? Das fragen sich Peter Sellars und Teodor Currentzis selbst öfter mal, sagte Peter Sellars unlängst bei einem TerrassenTalk. Die beiden arbeiten an der Eröffnungsoper der Festspiele, Mozarts „La clemenza di Tito“. Premiere ist am 27. Juli.

Von Anne Zeuner

„Es ist wundervoll mit Teodor zu arbeiten, und ihn zu beobachten, wie er nicht nur im Orchestergraben, sondern auch auf der Bühne eingreift“, sagt Regisseur Peter Sellars. „Wir arbeiten von der ersten Probe an sehr eng zusammen, wir haben dasselbe Ziel: die musikalische und die theatralische Dimension zusammenzubringen.“ Und auch der Dirigent spart nicht mit Lob über Peter Sellars. „Ich bin sehr glücklich mit dieser Zusammenarbeit. Peter ist jemand, der keine Show auf der Bühne entfacht, sondern etwas Echtes“, sagt der Dirigent. Und beide versichern, es gehe speziell darum, den Subtext von Mozart auszumachen.

Und beide sind in ihrer Arbeit sehr genau. So genau, sagt Peter Sellars, dass man die Sänger um 4 Uhr in der Nacht aufwecken könnte, und sie sofort die entsprechende Stelle der Oper perfekt interpretieren könnten. „Teodor probt eine einzige Phrase manchmal zwanzig Mal hintereinander, ehe er zufrieden ist“, sagt Peter Sellars über den dirigierenden Kollegen. Das sei natürlich unglaublich anstrengend für die Sänger, aber dieser „musikalische Röntgenblick“ sei eben auch nötig, um Mozart richtig zu erfassen. Mozart sei „perfekte Fahrstuhlmusik“, sagt Peter Sellars, das sei eine große Gefahr. Man müsse seine Musik vor dem Kitsch bewahren, denn unter dieser „schokoladigen“ Oberfläche verberge sich Grausamkeit, Wahnsinn, Mozart stelle mit seiner Musik die tiefsten Fragen des Lebens. Aber Mozart benutze eben nie eine grobe Sprache, um diese zu stellen. Und Teodor Currentzis sei einer, der es vermag beide Facetten der Musik herauszufiltern.

Worum geht es also eigentlich? Mit der Leitfigur des Titus sei es so eine eigentümliche Sache, erklärt Regisseur Peter Sellars. Er habe entsetzliche Verbrechen begangen und sei für viel Zerstörung verantwortlich. Gab es etwa ein Essen in seinem Haus, war es Tradition, eine Person zu töten vor dem ersten Gang. Aber, und das sei auch für die Oper das Wichtige: Sobald er Kaiser wurde, änderte sich Titus. Es wurde niemand mehr exekutiert, er spendete sogar sein eigenes Geld nach den großen Bränden in Rom und unterstützte finanziell die medizinische Versorgung während der Pest. Und in „La clemenza di Tito“ gehe es eben um jene Veränderung, jene persönliche Transformation.

Mozart habe nur wenig Zeit gehabt, diese Oper zu schreiben. Mitte Juli 1791 habe er den Auftrag bekommen und am 5. September sollte die Uraufführung stattfinden. „Er hatte also gar keine Zeit, eine neue Oper zu schreiben“, sagt Peter Sellars. So kam es, dass einige Rezitative von Mozarts Schüler Franz Xaver Süßmayr geschrieben wurden. „Unser erster Schritt in Richtung einer echten Mozart-Oper war es, sich dieser Rezitative zu entledigen“, sagt Peter Sellars. In einem zweiten Schritt schauten sich die beiden das originale Libretto von Metastasio an. „Uns ist die Wendung aufgefallen nach dem ersten Akt – der Kaiser wurde ermordet und der zweite Akt beginnt mit der Auflösung, dass es gar nicht der Kaiser, sondern eine andere Person war, die getötet wurde“, sagt Peter Sellars. Es sei keine Zeit für Trauer. „Wir haben uns entschieden, dort Musik aus Mozarts c-moll-Messe zu ergänzen. Wir wollen damit spirituelle Momente hinzufügen“, sagt der Regisseur. Es solle so eine Zeremonie abgehalten werden, um den Tod eines Menschen gebührend zu betrauern. „Ich muss dabei unweigerlich an die Anschläge der letzten zwei Jahre denken und daran, wie die Menschen in Brüssel, in Paris oder in Manchester auf die Straße gehen mit Blumen und Kerzen. Sie antworten nicht mit Hass auf diese Taten – sie antworten mit Liebe.“

Teile aus der c-Moll-Messe wird in dieser Aufführung nicht die einzige „Fremdmusik“ sein. Auch

Adagio und Fuge c-Moll KV 546 wird man begegnen und am Ende der Maurerischen Trauermusik c-Moll KV 477 (479a). Dirigent Teodor Currentzis: „Alles, was wir hier an Musik ergänzen, tun wir mit dem größtmöglichen Respekt, mit der größtmöglichen Liebe dem Komponisten gegenüber.“ Versöhnen und Vergebung, das sei am Ende das Thema der Oper.

„La clemenza di Tito" hat am 27. Juli um 18.30 Uhr in der Felsenreitschule Premiere, weitere Vorstellungen am 30. Juli, 4., 13., 17., 19. und 21. August. Die Aufführung am 4. August wird zeitversetzt in ORF2 übertragen (ab 21.20 Uhr) und am 19. September um 20.15 Uhr in 3sat ausgestrahlt – www.salzburgerfestspiele.at
Bilder: Salzburger Festspiele / Anne Zeuner

 

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