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Stern mit Höhenangst und Lampenfieber

FESTSPIELE / KINDEROPER

31/07/21 Ausgerechnet. Der Stern hat einen Anfall von Höhenangst und Lampenfieber, büßt Selbstbewusstsein und Leuchtkraft ein und hält sich für einen Totalversager. Und das einen Tag vor der Premiere!

Von Heidemarie Klabacher

Wer hätte gedacht, dass Requisiten Gefühle haben! Der Blumenstrauß ist eitel, wie die Primadonna, die ihn trägt. Der Thron hält sich für wichtiger als alles, was sich auf ihm niederlassen könnte. Die Perücken sind geradezu bösartig. Der Revolver ein weitgehend harmloser Irrer, aber herumballern macht immer Probleme. Der Kandelaber will mehr noch als Licht Würde ausstrahlen. Und der Stern ist einfach nur lieblich und hold. Leider hat er Lampenfieber und Höhenangst – und bei der Generalprobe ganz fürchterlich versagt.

Was für ein reizendes Stück. Was für eine übersteuerte Aufführung. Wie gerne hätte man ein wenig mehr vom Text verstanden, wie gern hätte man die Musik in einer duftigeren Wiedergabe gehört. Die Kinderoper Vom Stern, der nicht leuchten konnte von Elisabeth Naske und Ela Baumann, ein Auftragswerk der Festspiele im Rahmen des Young Singers Project, erlebte am Freitag (20.7.) in der Großen Aula ihre handfeste Uraufführung. Die wenigen Text-Schnipsel, die man verstanden hat, haben echt neugierig gemacht.

Die Librettistin und Regisseurin Ela Baumann schreibt vom Theaterbetrieb, seinen schönen und weniger schönen Seiten, schreibt von Eitelkeit und Selbstdarstellung, von Versagensangst und Selbstüberwindung. Von Solidarität und Freundschaft. Der Revolver bemüht sich sehr um den Stern. Aber erst der ältliche Nachtwächter, Herr Alfred, ist Seelentröster und Mutmacher am Rande des Scheiterns. Da versucht der Revolver – nach der Generalprobe machen die Requisiten vom Blumenstrauß bis zu den Perücken auf der Hinterbühne Theater und stören damit erheblich den Herrn Alfred – da versucht also der Revolver das Selbstbewusstsein des verzweifelten Sterns zu stärken: „Du musst es spüren! Spannung aufbauen!“

Die fiesen Perücken dagegen verspotten den armen Leuchtkörper, der vor lauter Aufregung seiner Leuchtkraft verlustig ging. Sie weiden sich in musikalischen Wendungen der Barockoper an seiner Not. Leider versteht man von all dem kaum ein Wort. Auch nicht von den Eitelkeitselogen der Prima Donna Blumenstrauß. Dass es dem Thron graust vor dem Hinterteil, das ihn zu besetzen droht, ist ein Textschnipsel, das zufällig angekommen ist. Die etwas langatmigen Ausführungen der Dame Kandelaber können von allem handeln. Der Thron scheint jedenfalls in sie verliebt zu sein, und betont einmal „Ich rette, rette schütze Dich.“ Tatsächlich ist auch die Musik von Elisabeth Naske voller Anspielungen und Zitate, am offensichtlichsten in den „barocken“ Momenten der Perücken.

Der Dirigent Patrick Hahn dreht den Lautstärkenregler für die Salzburg Orchester Solisten auf Anschlag und lässt ihn dort. Wie delikat die Musik wäre, konnte man nur ahnen. Die Librettistin scheint als Regisseurin ihrem eigenen Text nicht zu trauen und setzt auf Tumult und Hektik. Die Sängerinnen und Sänger, Mitglieder des Young Singers Project, sind stimmlich alle brillant, Gestaltungs-Möglichkeiten haben sie im Dauerfortissimo wenig, Text transportieren sie so gut gar keinen. Das ist schade angesichts der schönen jungen Stimmern. Übertitel? Textbuch?

Schon jetzt überstrahlt alles das schüchterne Lächeln von Miriam Kutrowatz als Stern, der nicht leuchten konnte. Branko Samarovski in der Sprechrolle des ältlichen Nachtwächters Alfred – Herr Alfred – der eigentlich nur in Ruhe seinen Marmorgugelhupf essen möchte, ist ganz zu Recht der Liebling aller. Dass ihm vom prächtigen Gugelhupf nur ein kleines Stück bleibt, verdankt er seltsamen quirligen weißwolkigen Wesen. Den Tutus. Deren Woher und Wieso überhaupt hängt ein wenig in der Luft, aber sie singen und performen ganz großartig: Es ist der Salzburger Festspiele und Theater Kinderchor, der seinen musikalischen und choreografisch anspruchsvollen Part souverän abliefert. Ein besonderes Bravo den Tutus!

Die jedes Jahr neu produzierte Kinderoper der Festspiele ist schon eine liebe Tradition. Geld spielt dabei keine Rolle. Was heuer zur heilloser Überfrachtung führte: Für die phantastische Ausstattung, die auch einer mittleren Barockoper wohl anstünde, zeichnet Florian Angerer. Das Stück spielt auf der Hinterbühne. Der Blick des „echten“ Publikums fällt in den imaginären Zuschauerraum, ebenfalls die Große Aula. Die Produktion ist wohl ziemlich übersteuert, das Stück selber ein Kleinod. Ein Kommentar zum Theater- zum Kunstbetrieb überhaupt. Überforderung, Leistungsdruck kennt ein Schulkind so gut, wie ein Hochleistungssportler. Wir freuen uns umso mehr mit dem liebenswürdigen Stern!

Bilder: SF / Erika Mayer

 

 

 

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