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Vier Streicher und ein Streicher-Flügel

FESTSPIELE / KAMMERKONZERT

18/08/21 Wie schön, wenn ein Gruppe völlig undogmatisch denkender Musikerinnen und Musiker zusammenkommt und Schumann nicht nur „spielt“, sondern im Grunde völlig neu denkt. Und gar nicht selbstverständlich, dass auf einem Experimentierfeld dann etwas wächst, das aufs Schönste zeigt, was Kammermusik doch immer sein muss: etwas Verbindendes, von allen Beteiligten Mitgetragenes.

Von Reinhard Kriechbaum

Da konnte man also viel mitnehmen am Dienstagabend (17.8.) im Großen Saal des Mozarteums. Die Geigerin Isabelle Faust ist notorisch neugierig, und sie hat für diesen Abend Menschen um sich geschart, die ihrerseits keine Scheu haben vor dem Neu-Lesen von Notentexten. Auch und gerade nicht von einem absolut geläufigem Werk wie dem Klavierquintett Es-Dur op. 44.

Da saß neben Isabelle Faust also Anne Katharina Schreiber, unter anderem Konzertmeisterin des Freiburger Barockorchesters. Am Bratschenpult Antoine Tamestit, der wie Isabelle Faust keineswegs der Originalklangszene zuzuordnen ist, aber gleichwohl wache Ohren hat für das, was aus diesem Eck tönt. Der Cellist Jean-Guihen Queyras wiederum ist von der Alten Musik bis zur unmittelbaren Moderne umtriebig wie nur. Und schließlich Alexander Melnikov, der aus der russischen Klavierschule kommt, aber mit Leuten wie Andreas Staier oder Alexei Lubimov zusammengearbeitet hat und also auf dem Hammerklavier höchst kompetent ist.

Klar, dass Melnikov an diesem Schumann-Abend (dem Quintett ging das Quartett Es-Dur op. 47 voraus) nicht zum allgegenwärtigen Universal-Steinway griff, sondern mit der Kopie eines Streicher-Flügels anrückte. Johann Baptist Streicher war der prominenteste Wiener Klavierbauer in jener Zeit, da Schumann – eine ultra-kurze Episode in seinem Leben – versucht hatte, in Wien Fuß zu fassen. Gewiss hatte er den Klang von Streicher-Flügeln noch im Ohr, als er 1842 die beiden Kammermusikwerke schrieb.

Das ist ein deutlich leiserer Klavierton, geschmeidig in den Bässen und im Diskant noch leicht gläsern. Wenn manche Schumann-Deuter argumentieren, das Quintett sei ein verkapptes Klavierkonzert für Clara Schumann, dann lehrte diese Interpretation genau das Gegenteil. Eben weil sich das Klavier gar nicht voluminös aufplustern kann wie ein moderner Flügel, nimmt man bei den Streichern raffinierte Satzdetail in großer Zahl wahr. Und die wiederum kommen besonders gut heraus, wenn da Spieler sitzen, die ausgeprägt selbstbewusst das je eigene Timbre ihrer Instrumente einbringen. Der Trauermarsch wurde wirklich nur „un poco largamente“ genommen, also kein bisserl schlurfend, sondern konzis, streng und klar. Auch das Finale im Tempo sehr bewusst „non troppo“. Da horcht man auf und wartet gespannt auf das, was sich entwickelt. Geballte Energie freilich auch, wenn im Scherzo des Quintetts die Läufe mit effektvollem Crescendo nach oben schnellen. Da gab's schon einen Satz zu früh Beifall...

Was auch sehr deutlich wurde in dieser immer vorbildhaft durchsichtigen, vom unterschiedlichen Chroma der Streichinstrumente beseelten Wiedergabe: Schumann war ein handwerklich außerordentlich kundiger Kontrapunktiker. So passten zwischen die beiden Schumann-Stücke ganz wunderbar jene Streicherfassungen von Fugen aus Bachs Wohltemperiertem Klavier, die Mozart in Wien 1782 für den „Baron Fuge“ (Gottfried von Swieten) angefertigt hatte. Unprätentiös, melodisch wunderbar transparent formuliert. Es blieben an diesem Abend einfach keine Wünsche offen.

Bilder: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli

 

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