asdf
 

Mehr als nur „erzählende“ Noten

FESTSPIELE / EVGENY KISSIN

03/08/10 Evgeny Kissin hat sich, eigenen Worten nach, in seinen Auftritten heuer ausnahmslos den pianistischen Jahrespatronen Robert Schumann und Frédéric Chopin verschrieben. So auch in seinen beiden Festspielkonzerten im Großen Festspielhaus.

Von Horst Reischenböck

Warum müssen Solistenkonzerte selbst dann erst um 21 Uhr anfangen, wenn keine Sicherheits-Zeitspanne für Schlechtwetteraufführungen des "Jedermann" das Haus blockiert? Künstlern wäre früherer Beginn sicherlich nicht unangenehm, und auch der Konzentrationsfähigkeit des Publikums wäre gedient. Aber am Montag (2.8.) haben sich die Zuhörer trotz später Stunde die Zuhörer so gebannt gezeigt, dass man eine Stecknadel fallen hören hätte können.

Für sein zweites Konzert wählte Evgeny Kissin vorerst die beiden Hefte der „Fantasiestücke“ op. 12 von Schumann, zu denen sich dieser wohl durch E.T.A. Hofmanns Literatur anregen ließ, so wie er dann auch selbst Geschichten hinein interpretierte. Die literarische Vorkenntnis ist absolut unerheblich ist: Alle acht Stücke - und nicht nur der bekannte „Aufschwung“ an zweiter Stelle - wirken ohnedies nach wie vor ungemein spontan und auch zwingend kraftvoll, jedenfalls dann, wenn jemand wie Kissin so subtil „Des Abends“ ruhig einsteigt, versonnen und eben der Anweisung entsprechend innig.

Aber auch in den der  leidenschaftlichen Momente ließ Kissin keine Wünsche offen, er streute glitzernde Kaskaden und hieß seine Finger genauso gedanklich kontrolliert die gefordert virtuosen Passagen meistern.

Um auf mehr als eine knappe halbe Stunde vor der Pause zu kommen, fügte Evgeny Kissin noch die letzte der Novelletten aus op. 21 an. Und da bedauerte man dann, dass Kissin nicht gleich diesen ganzen, weit weniger bekannten Schumann-Zyklus gewählt hatte. In den einzeln geforderten Schattierungen war diese Episode perfekt ausgehorcht und mit gerade so wenig wie nötigem Rubato gestaltet. Meisterlich.

Als Kontrast dazu nach der Pause Chopins grandiose vier Balladen. Das fulminant beidhändig dissonante Niederzwingen der Gedanken zum Schluss des g-Moll-Opus 23 regte das Publikum zu spontanem Applaus an - den Kissin, der das Kleeblatt nahtlos aneinander reihen wollte, so eigentlich nicht zu provozieren gedachte. Technische Meisterschaft auch hier, aber Kissin dünkte in den Balladen doch fast wie verwandelt: wirbelte tatsächlich „con fuoco“ die Presto-Abschnitte und Stretta-Finali um die Ohren, verlängerte im Gegensatz dazu gelegentlich fast auch bis zu momentanem Stillstand nachsinnend die episch melancholische Textur. Messerscharf kalkuliert meißelte er sowohl die geforderten heroischen Momente wie die latent mitschwingende innere Tragik aus dem Steinway.

Standing Ovations wurden  it zwei Zugaben belohnt. Darunter das gefühlsbewegte große b-Moll-Scherzo op. 66, in dem Evgeny Kissin ein weiteres Mal alle Nuancen seines kontrolliert gestalterischen Könnens demonstrierte. Einfach grandios!

Am ersten Abend (Freitag, 30.7.) hatte Kissin zuerst Nocturnes und Mazurken von Chopin gespielt, nach der Pause Schumanns Fantasie op. 17 und die Toccata op. 7.
Bild: Salzburger Festspiele Archiv

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014