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„Wir müssen uns nicht mögen, um uns zu liken“

FESTSPIELE / ERÖFFNUNGSFESTAKT

27/07/23 Leben wir in einer Zeit, da uns nur mehr Wunder retten können? Landeshauptmann Wilfried Haslauer zeichnete in seiner Rede bei der Eröffnung der Salzburger Festspiele am Donnerstag (27.7.) ein apokalyptisches Bild unserer Gegenwart. Im Gegensatz zu Bundespräsident Alexander Van der Bellen.

„Begründeter Optimismus stütze sich auf Menschen, die etwas machen und nicht nur reden. „Ich lade sie ein, die Augen zu öffnen für den Blick auf das Gute.“ Das beste Beispiel dafür sei, dass wir alle in Österreich frei sind, da wir in einer liberalen Demokratie leben. „Freuen wir uns darüber und beschützen wir das!“

„Ich denke, das ist eine der wichtigsten Aufgaben der Politik in unseren Tagen: Ein Bild von einer gemeinsamen Zukunft zu entwerfen, auf die man sich freuen kann. Und ein Bild von einer gemeinsamen Gesellschaft zu entwerfen, an der die Einzelnen gerne teilnehmen, weil jede und jeder das Gefühl hat: ja, das ist auch meine Gesellschaft.“

Van der Bellens will seinen „begründeten Optimismus“ auf „ganz konkrete Fakten“ bezogen wissen, auf „ganz konkrete Beispiele, die bewiesen haben, dass es geht“. Eine Bedrohung unserer liberalen Demokratie sei die abnehmende Toleranz. „Wir diskutieren kaum mehr miteinander, oft bestätigen wir uns nur in der eigenen Meinung und wenn jemand anderer Meinung ist, hören wir ihn oder sie kaum noch, weil er oder sie zu weit weg ist: Auf der anderen Seite des Grabens, der durch unsere Gesellschaft führt, schalldicht eingepackt, behütet in der Blase, in den sozialen Medien.“

„Bringen Sie Ihre Blase zum Platzen“, so der Bundespräsident. „Sonst glauben „Follower von Herbert Kickl, in einer ganz anderen Welt zu leben als Follower von Werner Kogler oder von Beate Meinl Reisinger oder von Karl Nehammer oder von Andreas Babler oder von Alexander Van der Bellen.“ Van der Bellens Empfehlung: „Reden Sie mit Leuten, die Sie nicht kennen. Die nicht zu 'Ihrer Gruppe' gehören … Besuchen Sie einmal die benachbarte Blase. Followen Sie den Menschen, denen Sie nicht folgen würden. Wir müssen uns nicht mögen, um uns zu liken.“

Der Bundespräsident nicht ohne Ironie: „Als Symbol und gutes Beispiel dafür werde ich ab heute dem Instagram Account von Norbert Hofer folgen. So. Hat gar nicht wehgetan. Und Sie, Herr Hofer, falls Sie zuhören, können ruhig auch dem Account von Greta Thunberg followen zum Beispiel. Wenn Sie es nicht schon tun.“

Endzeittöne hingegen von Landeshauptmann Haslauer: „Wir versinken im Vielfältigkeitsdilemma, hecheln der Geschwindigkeit atemlos nach, unser Hochleistungsleben fordert Verzicht auf Untätigkeit und Stille, die wir gegen Rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit eintauschen, wir versinken in einem Tsunami an Hiobsbotschaften und finden im Morast des uns täglich vorgebeteten Negativen keinen festen Grund mehr unter den Füßen. Ziellos und sinnbefreit treiben wir in einem digitalen Kosmos und surfen zwischen Werbung, Mobbing, Fake News, Katzenvideos und Mode. Verlust- und Zukunftsängste sind wie Hagelkörner des sich verdunkelnden Himmels einer anonymen Wohlstandsgesellschaft, die ohne Post- und Bankfilialen um die Ecke auskommen muss und verzweifelt nach Orientierung sucht.“

Es sei also an der Zeit, nach den „Passwörtern unseres Lebens“ zu fragen. Die Antwort könne „nicht plump und laut sein, nicht einfach und auch nicht ausgrenzend“, sie sei „unabhängig von Herkunft und Hautfarbe, sie kommt ohne Schuldige und ohne Unterstellungen aus, sie braucht keine Herabwürdigungen und Witze über andere“, so Haslauer. „Würde, Freude, Dankbarkeit“, Zitat nach Ilma Rakusa, seien vielleicht solche Passwörter, „vielleicht die Hoffnung der Unschuldigen“.

Oder eben der Glaube an Wunder, „ohne Verzicht auf die Errungenschaften der Wissenschaft. Dabei dürfe man allerdings „die Wunder nicht überfordern, sie müssen nicht immer absolut unerklärbar sein“. Zu den „wahren, echten Wunder“ zählte Haslauer dann auch das „Reden miteinander mit bedachten Worten, die Brücken zwischen uns bauen“.

„Wollen wir die großen Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft gemeinsam bewältigen, wird Europa eine neue 'Allianz für die Aufklärung' brauchen. Eine Allianz von Wissenschaft, Bildung, Medien, politischen Parteien, Gewerkschaften, Unternehmerverbänden, Glaubensgemeinschaften und der Zivilgesellschaft. Gerade weil autoritäre Kräfte mit unterschiedlichsten Mitteln den Weg zur Macht suchen. Durch Desinformation, Destabilisierung oder sogar mit Gewalt.“

Die Idee einer neuen Aufklärung bedeute aber nicht, den Menschen als reines Vernunftswesen misszuverstehen, sondern seine Fähigkeit zur Emotion, zur Leidenschaft ernst zu nehmen. Nicht nur, aber auch deswegen sei die Kunst unverzichtbare Partnerin einer Allianz für die Aufklärung.

„Nicht als Erfüllungsgehilfin oder Propagandistin, sondern weil die Kunst – bei aller Vielfalt künstlerischer Formen, Strategien und Arbeitsweisen – die Fähigkeit hat, uns ein umfassendes Bild von uns selbst und unserem gesellschaftlichen Zusammenleben zu vermitteln. Von uns Menschen mit all unserer Unvollkommenheit, aber eben auch von unseren Fähigkeiten und Potenzialen.“ (dpk-krie)

Bilder: Land Salzburg / Neumayr / Leopold

 

 

 

 

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