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Mit politischem Appell

FESTSPIELE / EVGENY KISSIN

09/08/23 35 Jahre liegt sein Salzburg-Debüt zurück. Herbert von Karajan hatte sich des Wunderkindes angenommen – und Evgeny Kissins Karriere international einen gehörigen Schub verpasst. Auch heuer wieder gastierte der Pianist im Haus für Mozart. Das Festspielpublikum dankte ihm mit Standing Ovations.

Von Horst Reischenböck

Mit seinem Programm von Bach, Mozart, Chopin, und Rachmaninov nach der Pause, warf der Exilrusse, mittlerweile sowohl britischer wie israelischer Staatsbürger, zunächst Fragen auf.

An den Beginn des Abends platzierte er nämlich Johann Sebastian Bach, der sich und der Welt mit seiner Chromatischen Fantasie und Fuge d-Moll BWV 903 nicht zuletzt die Vorzüge wohl-temperierter Stimmung zu beweisen gedachte. Und dies schon in Köthen, wo Bach natürlich nur ein Cembalo zur Verfügung stand. Agogisch feine Differenzierungen wie etwa Kissin sie aus dem Flügel schürfte waren da nicht möglich. Die Fantasie präsentierte Kissin auch als Schule der Geläufigkeit, der der virtuose Pianist vor allem mit der rechten Hand kontrolliert Ausdruck verlieh.

Es folgte Wolfgang Amadé Mozart, für den Evgeny Kissin, wie frühe Aufnahmen noch aus der damaligen UdSSR beweisen, schon in Jugendtagen eine Liebe hegte. Auf dem Programm am Dienstag (8.8.) im Haus für Mozart stand die Sonate für Klavier D-Dur KV 311 (284c), auf ihre Art ebenfalls brillant, fantasievoll und geistreich – etwa schon in den nachschlagenden Anhängseln an die letzten Takte der Exposition im Kopfsatz: Das machte Aufhorchen, war nur unter Kissins Händen akustisch eine Spur zu wenig zurückgenommen. Vielleicht aber auch dem Steinway geschuldet, der dafür doch nicht als ideales Transportmittel dünkte. Nach dem aufmüpfigem Final-Rondo der Sonate überraschte dann Kissin das Auditorium. Er spielte nicht, wie die ursprünglich angekündigt, Claude Debussys Estampes, sondern dessen hochdramatische Polonaise in fis-Moll op. 44. Da goss der Komponist den persönlichen Frust über das tragische Schicksal seiner Heimat in Töne und war von Kissin als Analogie zum derzeitigen Ukraine-Krieg gedacht, gegen den er auch in einem Manifest offiziell Stellung nahm. Dergestalt meisselte er aus grummelndem Beginn in der Tiefe leidenschaftlich eine wütende Anklage: Mit einer Vehemenz aufgetürmt, die allerdings eher an Kraftakte Franz Liszt gemahnte.                                             

Die ursprüngliche gedankliche Verbindung zwischen Debussy und Sergej Rachmaninow nach der Pause wäre durchaus schlüssig gewesen. Speziell in der Abfolge mit Rachmaninovs verzauberndem Flieder op. 21/5, gefolgt von einem Kontrastpaar an Préludes. Vor allem aber durch bildhaft durch aufsteigende Assoziationen in den fünf abwechslungsreichen Études-Tableaux op. 39, in die sich Evgeny Kissin energiegeladen und differenziert verbiss. Das sind gewisser Weise fast post-impressionistisch angehauchte Sätze, auf die logischerweise nur Rachmaninow-Zugaben folgen konnten, wie zunächst Morceaux de fantaisie op. 3 . Nach dem rhythmisch förmlich aus den Tasten gehämmerten Schmerzenskind, dem Prélude cis-Moll op. 3 Nr. 2 schwappte die Begeisterung dann förmlich über.  

Bild: SF / Marco Borrelli

 

 

 

 

 

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