asdf
 

Die Prüfungen in der psychiatrischen Anstalt

FESTSPIELE / DIE ZAUBERFLÖTE

29/07/12 Die drei Damen sind durchgestylte Divchen mit schlangenhafter Federboa, Vogelfänger Papageno kommt mit einem klitzekleinen Automobil daher und veräußert neben lebendem Gefieder auch bereits gut abgehangenes Geflügel. - Nikolaus Harnoncourt dirigiert in der Felsenreitschule "Die Zauberflöte", Regie führte Jens-Daniel Herzog.

Von Joern Florian Fuchs

Während des ersten Aufzugs stellen sich Ängste ein. Wenn das auf der Bühne zu Sehende nach dem Geschmack des neuen Intendanten ist, na dann Mahlzeit! Man erlebt zunächst vorwiegend Schenkelklopfiges. Studenten treten auf und führen Papageno seiner Geliebten zu, die zunächst als Tattergreisin mit Rollwägelchen auftritt und sich hernach in ein äußerst hübsches Mädchen verwandelt. Bald sieht man überall Kinderwagen. Na ja.

Aber der Abend besitzt zum Glück noch eine andere Dimension. Jens-Daniel Herzog und sein Ausstatter Mathis Neidhardt verdoppeln nämlich Teile der Felsenreitschule und kreieren ein Labyrinth aus Türen – über allem gibt es eine Art Überwachungsplattform mit Fernrohren. Beständig verschiebt sich der Raum, immer neue Zimmer, Gänge, Fluchten eröffnen sich.

Tamino, der auf dem Weg zu seiner Pamina diverse Proben zu absolvieren hat, tut dies in einer psychiatrischen Anstalt, Weißkittel protokollieren die Angelegenheit. Chefarzt ist Sarastro, der seinen mystischen Sonnenkreis in Form eines blinkenden Lämpchens auf der Brust trägt. Taminos Bewältigung von Feuer und Wasser ist recht geschmackvoll gestaltet: einige der Türen flammen auf beziehungsweise verflüssigen sich. Der düstere Manostatos (man verwendet die Schreibweise des Autographs, heute sagt man gewöhnlich „Monostatos“) ist ein liebeshungriges, schwarzes Riesenbaby mit erheblichem Abgrundpotential. Am Ende würgen sich Sarastro und die Königin der Nacht und es bleibt offen, wer künftig die Oberhand hat.

Trotz etlichen szenisch platten Kalauern verdichtet sich Jens-Daniel Herzogs Inszenierung im Laufe des Abends, die Bilder werden prägnanter, etliches geht unter die Haut. Einsamkeit, Melancholie, Sinnfragen wehen heran. Dies passt zu Nikolaus Harnoncourts Interpretation. Harnoncourt dirigiert am Pult des sparsam besetzten Concentus Musicus Wien einen kargen, verinnerlichten Mozart ohne Schmelz und Pomp. Vieles hört man plötzlich ganz neu, vor allem die leichten, singspielhaften Elemente werden gleichsam geerdet. Einen besonders interessanten Kontrast ergibt die Begegnung von trockenen, zeitweise fast geisterhaft tönenden Streichern mit sch(n)arrenden Barockposaunen. Wieder einmal „servieren“ Harnoncourt und seine ihm hörigen Musiker also echte Mozart-Exerzitien, was das Publikum eher kühl würdigte. Das Regieteam stand im Sturm aus Buhs und Bravos.

Sängerisch war diese Premiere beinahe tadellos, Georg Zeppenfelds kraftvoll schöner Sarastro, Bernard Richters hell timbrierter Tamino, Julia Kleiters wunderbar samtige Pamina oder Rudolf Schaschings präzise orgelnder Manostatos sorgten für Jubel. Sehr gut auch das Buffo-Paar: Markus Werba gibt einen glänzenden Papageno, mit herrlich österreichischen Dialekt-Zoten, Elisabeth Schwarz eine Papagena mit angenehmer Noblesse. Lediglich Mandy Fredrichs Königin der Nacht enttäuscht am Premierenabend. Punktgenau saßen zwar die entscheidenden Koloraturen, der Rest klang jedoch merkwürdig verschattet und ungenau. Solide die drei, hier als Greise geschminkten, (Tölzer) Knaben sowie das Damen-Trio. Ernst Raffelsberger hat die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor präzise einstudiert.

Zuletzt inszenierte Graham Vick in Salzburg eine Zauberflöte im Seniorenstift. Achim Freyer entfachte einst ein knallbuntes Spektakel und Pierre Audi recycelte eine Uraltinszenierung im Bühnenbild des Künstlers Karel Appel. Meist dirigierte in Salzburg Riccardo Muti. Sowohl szenisch wie musikalisch ist diese neue Zauberflöte weit interessanter und herausfordernder. Und als Auftaktgeschenk für ein nicht unbedingt an hoher Kunst interessiertes Premierenpublikum kommt sie gerade recht.

Aufführungen bis 19. August - www.salzburgerfestspiele.at
Am Montag 30.7. um 20.15 zu sehen auf arte.
Bilder: SF / Monika Rittershaus

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014