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Die bösen Streiche der Akustik

FESTSPIELE / DOM / NIKOLAUS HARNONCOURT

30/07/12 Die Festspiele verhelfen ihrem Publikum heuer gelegentlich zu einem ganz neuen Zeitgefühl: Fand am Samstag (28.7.) Elina Garancas Lieder-“Abend“ vormittags statt, so lief Harnoncourts Konzert am Sonntag (29.8.) um 16 Uhr als Mozart-„Matinee“. Hauptsache, ein Etikett klebt drauf.

Von Horst Reischenböck und Reinhard Kriechbaum

altDas Programmheft verordnete den Werken zwar dieselbe Köchel-Nummer, aber es waren eindeutig unterschiedliche, selten aufgeführte Stücke: die Missa (longa) KV 246a bzw. 262 und die Sakramentslitanei KV 243. Bei der Styriarte in Stainz haben Nikolaus Harnoncourt, der Concentus Musicus Wien und der Schönberg-Chor das gleiche Programm hören lassen. Nun also, zum Abschluss der „Ouverture spirituelle“ in Salzburg, der Härtetest unter akustisch absolut irregulären Verhältnissen. Wer in Stainz dabei war, fand bestätigt, was so neu nicht ist: Stehen die Musiker im Dom vorne im Altarraum, genießen bestenfalls die Zuhörer im Kuppelbereich einen einigermaßen unverfälschten Klang. Im Langschiff kommt nur ein akustisches Zerrbild an. Von der 17. Reihe aus (also immer noch vergleichsweise weit vorne) waren nicht mal mehr Signalwörter vom Text („Credo“, „Sanctus“) zu identifizieren. Es hatte seinen guten Grund, dass in der Mozart-Zeit auf den Vierungs-Emporen musiziert wurde. Dort standen am Sonntag Fernsehkameras – der Tag wurde schließlich in medial zelebriert und das Konzert zeitversetzt am frühen Abend in arte gesendet.

Beide zur Aufführung gelangten Werke entstanden im Frühjahr 1776. Die Missa longa ist ein einigermaßen sprödes Opus innerhalb Mozarts Messkompositionen, fordernd nicht zuletzt durch die zahlreichen fugierten Abschnitte und wohl deswegen im kirchlichen Gebrauch weniger verankert. Nikolaus Harnoncourt ließ sich trotz relativ zügiger Tempi auf die Akustik des Domes mit seiner nicht zu unterschätzenden Nachhallzeit ein, indem er beispielsweise Generalpausen entsprechend ausreizte. Unter den in sich durchaus homogen wirkenden Gesangssolisten wusste sich vorerst einmal der Bariton Florian Boesch zu profilieren. Wenn man aus Stainz im Ohr hatte, wie gediegen in dieser Messe das solistische „Benedictus“ mit den chorischen Hosanna-Einwürfen verzahnt ist (und was Harnoncourt daraus macht!), hat man sich im Dom darüber gewundert, wie sich Musik im Raum verlieren kann.

Litaneien sind heutzutage aus der Kirchenmusik verschwunden. Umso dankenswerter, dass die „Litaniae de venerabili altaris sacramento KV 243 in Erinnerung gerufen wurden. Beeindruckend Mozarts gestalterisches Vermögen, einzelne Abschnitte gelegentlich ineinander übergehen zu lassen. Der Bogen spannte sich vom einleitenden Kyrie bis zum letzten Miserere-Ruf. Nachhaltig war auch die Wirkung der Ernsthaftigkeit, der exzellent ausgespielten Dramatik und Düsternis der Moll-bestimmten Teile „Tremendum ac vivificum sacramentum“ und „Viaticum in Domino morientium“, die fast schon das Requiem vorwegnehmen.

Jeremy Ovenden führte seinen strahlenden Tenor im „Panis vivus“ ins Treffen, Sopranistin Sylvia Schwartz wiederum bezauberte schlank in den Höhen im Agnus, dessen feines Lineament freilich trotz der Holzbläser nicht durchkam.

Alles in allem: Die Akustik stand an diesem Sonntagabend gegen die Botschaft (die Harnoncourt und seine instrumentalen und vokalen Mitstreiter im Stainz so unvergleich übermittelt hatten). Man hat Hör-Qualität den Medien und wohl auch dem Gelderwerb geopfert. Sollten die zu dem Anlass im Dom aufgehängten Tapisserien überhaupt etwas bewirkt haben, so nicht eine Verkürzung des Nachhalls und der akustischen Stör-Wellen, sondern eine fast dramatische Abnahme der Lautstärke. So zirpt der Concentus Musicus in Wirklichkeit nämlich nicht.

Bilder: SF / Silvia Lelli

 

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