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Stimme des verkannten Außenseiters

FESTSPIELE / LESUNG ULRICH MATTHES

31/07/12 „Kleist. Geschichte einer Seele“, war der Titel  eines von Ulrich Matthes mit Briefzitaten gestalteten Abends im Landestheater.

Von Gerda Lintschnig

Die Festspiele möchten, dass sich verschiedene Programmpunkte aufeinander beziehen. So etwa wird die Aufführung des Dramas „Prinz Friedrich von Homburg“ von Kleist durch zwei Kleist-Lesungen ergänzt. Jene mit dem Berliner Schauspieler Ulrich Matthes fand am Sonntag (29.7.) im Landestheater. Am 6. August folgt eine mit Hans-Michael Rehberg.

Die Briefzitate, die Matthes vortrug, ergaben in der Summe eine Biographie, beginnend mit Briefen an die Verlobte Wilhelmine und endend, kurz vor dem Selbstmord, mit dem letzten Brief an die Halbschwester Ulrike. Dieser Abschiedsbrief endet mit den Worten: „Und nun lebe wohl; möge Dir der Himmel einen Tod schenken, nur halb an Freude und unaussprechlicher Heiterkeit dem meinigen gleich: das ist der herzlichste und innigste Wunsch, den ich für Dich aufzubringen weiß.“ Daraus sprechen nicht zuletzt große Erwartungen an das, was dem Tod folgen soll.

Kleists Familie erwartete, dass er wie seine Vorfahren eine militärische Laufbahn einschlagen würde. Kleist aber brach seine soldatische Karriere ab, der Drill und Stumpfsinn passte ihm nicht. Er fing Feuer und Flamme für die Wissenschaft und interessierte sich speziell für Experimentalphysik. Aber auch von der Philosophie der Aufklärung fühlte er sich angeregt. Nach einem Studienbeginn in Frankfurt ging er nach Paris. Doch die Stadt und zunehmend auch die Wissenschaft missfielen ihm. Skepsis war eine Grundhaltung Kleists. Kurios hört sich sein Urteil über die öffentliche Bibliothek von Würzburg an: Die großen Dichter wie etwa Wieland oder Goethe sind dort nicht vorrätig. Dafür sind die Regale voll von Rittergeschichten.

Kleist traf immer wieder verblüffende, realitätsfremde Entscheidungen. Zu einem großen Reinfall wurde seine Absicht, in der Schweiz als Bauer zu leben. Seine Verlobte zog nicht mit. Daher kam es zum Bruch. In einem der Briefe rechnet er mit Wilhelmine ab. Daraus wird seine Geringschätzung für Frauen deutlich. Homoerotische Neigungen waren ihm übrigens nicht fremd.

Schließlich schien sich für Kleist doch ein klarer Lebensweg als Dichter abzuzeichnen. Es peinigten ihn aber immer wieder Selbstzweifel. Nicht zuletzt wurde es ihm durch die politischen Umstände – die napoleonischen Kriege ließen in Deutschland und Europa keinen Stein auf dem anderen – schwer gemacht, sich als Dramatiker durchzusetzen.

Schließlich beendete er sein eigenes Leben und das einer Freundin, einer verheiratete Frau mit Kindern, in einer, wie sein Abschiedsbrief ahnen lässt, seltsam entspannten, jenseitigen Stimmung.

Ulrich Matthes trug dieses Lebensdrama, diese Geschichte einer gequälten Seele, indem er sich mit dem Dichter identifizierte, sehr eindringlich vor. Er hatte seine Zuhörer stets im Blick, weil er auswendig sprach und auf das Manuskript in seinen Händen nicht angewiesen war. Insgesamt prägte sich der Abend in die Erinnerung als außerordentliche künstlerische Leistung ein. Sie wurde vom Publikum nachhaltig gewürdigt.

Bild: Silvia Lelli

 

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