asdf
 

Schall und Rauch oder: Kitsch as Kitsch can

FESTSPIELE / YDP / THIS IS HOW YOU WILL DISAPPEAR

19/08/12 Das Produktionsteam um die französische Theatermacherin Gisèle Vienne ist riesig. Schlüsselpositionen kommen den Licht- und Nebelwerfern zu, genau so jenen, die an den Laustärkereglern der Boxen sitzen. Schall und Rauch! Was sonst noch wichtig ist, das will hinter dem Spektakel, das Assoziationen an barockes Maschinentheater weckt, erst aufgestöbert werden.

Von Reinhard Kriechbaum

Die gute Nachricht zuerst. Beim Schreiber dieser Zeilen hat sich der Rumor der Innereien, der ob dem ungestümen Bass-Gedröhne und den vibrierenden Sitzen und Wänden im republic fast zwangsläufig eintritt, am nächsten Morgen schon wieder gelegt. Diese internen Verwerfungen sind also nur unwesentlich nachhaltiger als jene des wüsten Grusel-Schautheaters, das Gisèle Vienne da im republic auf achtzig Minuten abspult. Sie spult übrigens vielerorts und schon lange: Beim „Steirischen Herbst“ in Graz war die Produktion gar schon 2010 zu sehen. So viel zum News-Wert. Hat ein solcher alter Hut etwas verloren beim Young Directors Project?

„33% Theater, 33% Schönheit & Grauen, 33% Wald & Nebel“ haben die Werbefritzen vom Steirischen Herbst vor zwei Jahren getitelt. Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Dichtes Unterholz auf der Bühne. Eine junge Dame mit wohlgeformtem, biegsamen Körper hat sich für exzessive Outdoor-Gymnastik entschieden. Oder sie wird dazu gezwungen vom Trainer, der zweiten Figur auf der Bühne. Es scheint jedenfalls eine Besessenheit geworden zu sein. Später wird ein Pop-Barde auftauchen, eine etwas unterbelichtete, wald-schattige Variante von Elvis. Auch der hat, wie es scheint, wider die Natur gelebt. Kommt „Éternelle Idole“ in der Eisarena ganz ohne Worte aus, so gibt es hier deren einige. Nicht viele, aber doch so bedeutungsschwanger, dass es reicht, im Zuschauer ein paar Assoziationen zu wecken. Auf diese Kopfgeschichten allein ist Gisèle Vienne nämlich aus. Aus hingeworfenen Mini-Szenen und einer dicken Brühe an optischen Metaphern sollen wir uns tunlichst selbst was ausdenken. Es ist wahrhaft demokratisches Theater!

Gisèle Vienne führt uns in „This is how you will disappear“ in einen mehr oder weniger von Nebelschwaden durchzogenen Wald, stellt uns drei Figuren vor, lässt uns zusehen bei einem Mord – ein Schauermärchen, das sich ein drittklassiger Romantiker nicht besser hätte ausdenken können. Und dazu viel fauler Bühnenzauber! Die Beleuchter leisten ganze Arbeit. In einer Zehn-Minuten-Episode passiert gleich überhaupt nichts, außer dass die Wolken mit handwerklicher Perfektion an- und ausgeleuchtet werden. Das befriedigt oberflächliches Schaubedürfnis, macht Stimmung unter Unbedarften, die sich im Theater mit dem schönen Schein zufrieden geben. Wenn ein Montblanc-Füller zu vergeben wäre allein für Special effects: Der sollte dem Team von Gisèle Vienne sicher sein.

Das akustische Environnement hat dann außer niederschmetternder Lautstärke doch auch Feineres zu bieten (Stephwen O’Malley und Peter Rehberg heißen die Live-Elektroniker und Klangmonteure). Das ist aber auch alles recht direkt, oberflächlich. Eine Hör- und Schau-Nebelsuppe alles in allem. In der letzten Szene kommt ein Falke ins Spiel. Ein echter. Aber Keine Angst, Falken sind robuste Tiere und es muß kein Lebewesen leiden an dem Abend, von den Zuschauern mal abgesehen.

Die haben sich, als die letzten Lichter erloschen sind und die Hoffnung auf eine echte Geschichte endgültig begraben war, erst einmal ausgiebig gewundert über den mit Bühnentechnik aufgeblasenen Kitsch. Nach geschätzten dreißig Sekunden dann doch ein klein wenig Beifall.

Weitere Aufführungen am 19., 20. und 21. August, jeweils um 20.30 Uhr im republic – www.salzburgerfestspiele.at
Bilder: SF / Wolfgang Lienbacher
Zum Kommentar {ln:Es muss ein Preis sein}
Zur Meldung Preiswürdig trotz Total-Vernebelung
Zur DrehPunktKultur-Besprechung Eisprinzessin und fliegende Untertasse
sowie zu den weiteren Besprechungen vom Young Directors Project
„Lenzens Eseley“ im Luftkurort und Die Fallen und die Langeweile

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014