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Wie Eva wohl heute denkt?

FESTSPIELE / HARNONCOURT / SCHÖPFUNG

21/07/13 Am Anfang jeder „Ouverture spirituelle“ soll die „Schöpfung“ stehen. Heuer kolorierten Nikolaus Harnoncourt, der Concentus Musicus Wien und der Arnold-Schönberg-Chor die schöne Zeit vor dem Sündenfall, dieweil sich Anti-Festspiel-Aktivisten in der Pferdeschwemme nass machten.

Von Erhard Petzel

081Harnoncourt, Concentus und Haydns Schöpfung, das ist programmierte Liebe und Hingabe. So fahl, verloren und leise versponnen kann ein Chaos nur aus diesem Klangkörper mit seinen historischen Instrumenten steigen. Ein glanzvoller Sonnenaufgang mag woanders noch satter sein, der leise Gang des schimmernden Mondes wird aber kaum sonst so sanft mysteriös erklingen. Vollendeter Fluss der Harmonie und lebendiges Erklingen der Imaginationen.

Dazu steht das mit Stefan Gottfried klangsicher besetzte Hammerklavier als Verlängerung des Armes des Dirigenten mitten im Orchester, Blickrichtung zu den Solisten, die fast mit der Chorfront des Schönberg Chores verschmelzen. Auch stimmlich: dort, wo sie eiander zuarbeiten. Sie werden vom Orchester nicht zugedeckt, können liedhaft zurückhaltend gestalten, bei hoher Textdeutlichkeit.

Ein ideales Solisten-Trio mit Martina Janková, Michael Schade und Florian Boesch, wo nicht nur jeder in seinen Paradestellen dezent und wandlungsfähig brilliert, sondern wo Duette und Terzette in beglückender Homogenität und geschmackvollster Phrasierung keine Wünsche offen lassen. Ihr unfassbares Erstaunen über die Fülle der Schöpfung am Ende des fünften Tages geht so organisch im chorischen Lob des Herren auf, dass es das Herz weitet.

Witz und Ironie dienen dem Ausdruck, wenn die Pauken im Chaos abgedeckt werden, das Blech in die Fuge des Chores in Nr. 10 fährt, das Fagott meterhoch aus dem Orchester ragt durch einen Aufsatz, der die auf den Tieren drückende Last zutiefst umforzt, nachdem Florian Boesch seinen Raphael ganz unelegant in profunder Tiefe das „Gewüaam“ zerdehnen lässt. Dagegen intensive Stellen der Stille und des Verstockens, atemberaubend, wenn Gott seinen Odem von den Wesen nimmt.

Nach der Pause der 3. Teil mit Adams paternalistischem Schönsprech aufgeklärt-katholischer Prägung. Der ist in seiner feudalbarocken Attitüde ja heute wieder beliebt. Allerdings sind die Riten und Gefühle dahinter lau geworden. So auch die Reaktionen zur Eröffnungsparade. Etwas Applaus für den Bundespräsidenten. Und die Anti-Festspiel-Aktionisten schützt die Tiefe der Pferdeschwemme vor der Blöße ihrer Dürftigkeit.

Und trotzdem sollte man ihre Klage hören, die Festspielkultur für die Eliten kritisiert. Denn bei aller Jugendarbeit werden die Festspiele ihr Image des Abgehobenen und Elitären nicht los. Wenn heute Elite mit den Worten Adams meint: „Komm, folge mir! Ich leite dich“, so wird Evas Antwort eine andere als hingebungsvolle sein. Sie will umworben und aktiv verführt werden. Die Schläge des Hammerklaviers zu ihrer Antwort sind vielleicht auch Harnoncourts kritischer Verweis.

Woanders mag die Harmonie zwischen denen, die (noch) draußen stehen und dem Festspiel der Elite besser gelingen. Für alle Seiten gälte auch in Salzburg: „Mit dir erhöht sich jede Freude, mit dir genieß‘ ich doppelt sie; mit dir ist Seligkeit des Lebens; dir sei es ganz geweiht.“ Denn die Mahnung Uriels: „... wenn falscher Wahn euch nicht verführt, noch mehr zu wünschen, als ihr habt, und mehr zu wissen, als ihr sollt!“, mag die alten Herren Haydn und van Swieten beglückt haben und die alternden Herrschaften des Festspielpublikums bei Bravos und Fußgetrampel nicht weiter stören. Die jungen Aktivisten brauchen aber den Sündenfall, um ans Licht zu kommen.

Weitere Termine in Nikolaus Harnoncourts Haydn-Zyklus bei den Festspielen:
27./28.7., 19.30 Uhr, Großes Festspielhaus – Haydn, „Die Jahreszeiten“ (Wiener Philharmoniker)
19.8., 19 Uhr, Felsenreitschule – Haydn, „Il ritorno die Tobia“ (Orchestra La Scintilla) - www.salzburgerfestspiele.at
Bild: SFS / Marco Borggreve

 

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