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Die Engel und ihre Himmels-Combo

FESTSPIELE / AIMARD, STEFANOVICH

26/07/13 Auf der Stelle Engel werden. Oder wenigstens Heiliger, mit gutem Sitzplatz in den besseren himmlischen Hör-Rängen. Und dann also hören, wie die Vögel an- und abheben mit ihrem „Amen“-Lobgesang.

Von Reinhard Kriechbaum

Da haben am Donnerstag (25.7.) im Großen Saal des Mozarteums Pierre-Laurent Aimard und Tamara Stefanovich die Vögel ordentlich in Schwung gebracht, im fünften der sieben „Visions de l’Amen“ für zwei Klaviere von Olivier Messiaen. Zum Fliegen und zum beschwingten Tirileren in rhythmisch denkbar pfiffiger Art. Man konnte sich das andächtige Federvieh durchaus als himmlische Jazz-Combo ausmalen.

Es ist einfach schön (und wichtig), nicht zu schnell in die Knie zu gehen vor dieser Musik. In ihr wabert nämlich dann nicht die Endlos-Transzendenz, wenn sie akkurat von ihrer Motorik her begriffen und mit Verve umgesetzt wird.  Genau dieser lebefrische, so gar nicht von devotionaler Ehrfurcht gebückte Zugang durch das Klavierduo Aimard/Stefanovitch hat einen an dem Abend das wohl bekannteste Klavierstück des großen Franzosen (mit noch größerer religiöser Schlagseite) gleichsam neu erleben lassen: Fort mit aller hehrer Frömmlerei, zuerst einmal geradliniges, freudvolles Lob!

Das ging vom festlichen Glockengeläut des eröffnenden „Amen der Schöpfung“ quasi in einem Guss zum finalen „Amen der Erfüllung“: „Der ganze Regenbogen der Edelsteine der Apokalypse, die klingen, aneinander stoßen, tanzen und das Licht des Lebens in ihren Duft tauchen“, schrieb Messiaen über dieses Schlussstück. Aus dieser mithin leicht anrüchig duftenden Geröllhalde windschiefer Andachtsbilder destillierten Aimard und Stefanovitch ein pianistisches Orgien-Mysterientheater der Superlative.

Es war fünfzig Minuten mucksmäuschenstill im Saal – umso bemerkenswerter, als zuvor, bei einem zugegeben nicht ganz einfach zu konsumierenden Liszt-Programmblock, des Frust-Hustens und des hypernervösen Klappstuhlknarrens kein Ende war. Manches Festspielpublikum kann sich einfach nicht benehmen und mit Musik sowieso nichts anfangen. Man muss diese Leute einschüchtern: Mit den „Visions de l’Amen“ ist das bestens gelungen.

„Tres lent, avec l’amour“ hat Messiaen über das „Amen der Sehnsucht“ geschrieben, und das ward nun wirklich charmant umgesetzt wie ein französisches Chanson. Wo dann der Blickwinkel auf die „von einer schrecklichen Liebe“ erfüllten Seele gerichtet wird, hat dieses innere Organ des rechten Glaubens Puzelbäume geschlagen wie nur. Unwillkürlich sind solche Bilder entstanden beim Zuhören. Wer so leidenschaftlich „Amen“ sagt, kann den kurzen sechsten Satz, das „Amen des Jüngsten Gerichts“ mit seinen eisig-scharfkantigen Formulierungen als abstraktes, fernes Schreckensbild getrost abhaken.

Zuvor also Ausgefallenes von Franz Liszt: Die Serbin Tamara Stefanovich hat die Variationen über ein Thema aus Bachs Kantate „Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen“ in aller Ambivalenz vorgestellt: virtuos aufspritzend und dann wieder ganz intim und schlank artikulierend.

Noch herber ist Liszts kleine pianistische Tondichtung „Unstern! – Sinistre disastro“, die streckenweise durch Ganztonskalen zwirbelt, dass man seinen Ohren nicht trauen will. Pierre-Laurent Aimard hätte gerne ohne Unterbrechung die funkelnden Kaskaden der Wasserspiele in der Villa d’Este (aus den Années de pèlerinage 3) folgen lassen – aber da haben ein unerzogener Huster und ein frecher Handyton dem Effekt den Garaus gemacht. Manchmal täte man auch im Konzertsaal zu gerne die rote Karte zücken.

Bilder: www.pierrelaurentaimard.com (1); www.tamara-stefanovich.com (1)

 

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