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Vom Heldenepos zum Haiku

FESTSPIELE / OENM / ENGEL

28/07/13 Sternstunden sind möglich, wenn Altes und Neues aufeinander gestoßen wird, aber nicht zwingend. Der Abend des oenm am (27.7.) in der Kollegenkirche hat es wohl in den Augen vieler geschafft. Die Beziehungen waren besonders charmant, Neugier hatte etwas zu bestaunen und der Reiz der Werke erfüllte sich in der Ausgewogenheit ihres Rahmens.

Von Erhard Petzel

Junko Handa eröffnete auf der Biwa mit Anfang und Schluss des Heike-Epos‘, zeitlich und auch inhaltlich ein Äquivalent zu unserem Nibelungenlied. Allerdings kann Japan mit einer musikalischen Tradition zu seinen Heldenepen aufwarten, da ihr Vortrag durch blinde Musiker im Mittelalter als Ahnenverehrung eine quasi religiöse Handlung darstellte.

Handas Biwa ist eine flache, 5-saitige Laute mit wenigen, weit auseinanderliegenden Bünden und locker gespannten Saiten. Mit einem riesigen, dreieckigen Holzplektron wird gestrichen, gezupft und geschlagen, dass man geneigt ist, im schnarrenden Klang und den Tonmustern japanisch-mittelalterlichen Hardrock zu hören. Einleitung zur Stimme, deren Response oder einfach Marke zum Abschluss des gesungenen Satzes, aber auch Begleitung des Gesangs.

Der hat ein bisschen den Charakter eines Muezzin-Rufes mit Glottis-Schlägen und dem Einsatz der Kopfstimme, wenn der Rufverlauf in obere Lagen geschwungen wird. Der starke Ausdruck der Sängerin und ihr Saitenspiel nehmen mit in eine Gefühlswelt, deren Wortsinn dem Programmheft entnommen werden muss und die doch direkt verstanden wird, wenn die Großmutter den kleinen Kaiser in den Tod nimmt, um dem Feind zu entgehen.

Die Shakuhachi, eine Bambus-Längsflöte mit einfacher Kerbe als Schneide, ist auch ein Meditationsinstrument bei den buddhistischen Mönchen als Klang gewordener Atem. Die damit gestalteten Honkyoku genügten als „eigentliche“ Musik dem Spieler selbst. Tadashi Tajima spielt 3 mit 3 verschiedenen Flöten und zunehmend abstrakten Bildern, zum Schluss Kok? (leerer Himmel). Stets nach differenzierter Bewegung auslaufender Atem.

Meister Tajima kommt mit seinen Instrumenten noch bei 2 Zeitgenossen zum Einsatz. Da ist zunächst T?ru Takemitsus Eclipse für Biwa und Shakuhachi aus 1966 und zum Schluss des Konzerts ein solistischer Einsatz in Toshio Hosokawas „Voyage X“ aus 2009 mit dem oenm, Harfe und Schlagwerk und je 5 Streicher, Holz- und Blechbläser unter Dirigent Titus Engel. Während sich bei Eclipse, einem Schlüsselwerk der japanischen Moderne in der Auseinandersetzung mit der eigenen Kultur, Takemitsu an diesem Anspruch abarbeitete, ist bei Hosokawa das alte Instrument im modernen Ensemble beglückend integriert.

Das Haiku vom Verrotten des verstorbenen Wanderers im Wind der Landschaft als Inspirationsquelle ist zwar in dem organisch entwickelten Werk formal kaum zu erspüren, Stimmung, Klang und Dynamik sind aber verzaubernd und wohlig gewaltig. Ganz ohne altes Instrument kommt Takemitsus „Bryce“ (1976) aus, für Flöte, die sich über irisierenden Klangwolken von 2 Harfen, Marimba und Schlagzeug produziert. Der Liebreiz der Musik ist der Bekanntschaft mit einem Kind geschuldet, daher vielleicht auch die ins Wasserschaff gesenkten Haushaltsgefäße, bis der ersterbende Klang eines getauchten Gongs das Werk endet. Freudiger Applaus für die beiden japanischen Musiker, das oenm, seinen Dirigenten Titus Engel und den Komponisten Hosokawa.

 

 

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