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Es muss sein. Rufzeichen

FESTSPIELE / HAGEN QUATRETT / ZYKLUS 1-2

19/08/13 Das Hagen-Quartett und Beethoven! Das ist die Geschichte einer immerwährenden kammermusikalischen Auseinandersetzung, die nun konsequent (endlich) in der Präsentation des Gesamtzyklus mündet: alle Streichquartette Beethovens an sechs Abenden zur jubelnden Freude des Salzburger Festspielpublikums. Um mit Beethoven zu sprechen: „Muß es sein?“ „Es muss sein!“

Von Christiane Keckeis

Wer Hagen-Quartett sagt, spricht von vier herausragenden Musikern, die all ihr stupendes solistisches Vermögen in den Dienst des Miteinanders stellen. Es geht niemals um Profilierung, um Selbstdarstellung, um ein Entlangspielen an der Oberfläche, um all die kleinen Schlampereien und Rangeleien, die durchaus nicht selten sind. Nein, es geht um Sorgfalt (was langweilig sein könnte, aber nicht ist), um Auseinandersetzung, um Nachspüren, um Geist, um Emotion. Es geht ums Ganze, jederzeit und gnadenlos. Was gäbe es Angemesseneres für Beethoven? Für Beethoven, den Grenzgänger, der musikalisch alles auslotet, was ihm in den Weg kommt.

An der Grenze spielen, nicht auf Sicherheit, stets volles Risiko, dass etwas „passiert“, danebengeht (was letztlich selten geschieht) - auch das ist das Hagen-Quartett: mutig in der Konsequenz der Musik.

Die Tempi, die langsamen wie die schnellen, die vielen Übergänge, die dynamischen Extreme, das könnte man auch nervenschonender anlegen (und das wird anderweitig auch gern getan), aber niemals spannender, direkter, fesselnder.

Und dabei spielen sie nicht einmal „schön“. Das ist innig, intensiv, empfunden oder heiter, ironisch, neckisch oder… aber niemals einfach nur schön. Die Schönheit wird zum Nebenprodukt der Facetten, ist kein Selbstzweck, stets an Inhalt gebunden. Und deshalb kommen auch an der Schmerzgrenze schneidende Portati zum Einsatz und harmonisch „störende“ Zwischentöne werden betont, ernstgenommen, Spannungen werden ausgehalten, der Klang darf auch mal ruppig sein, das klingt dann – o Schreck –richtig modern. Der Beethoven der Hagens ist so vielschichtig wie selten zuvor gehört, bis in Tiefen hinterfragt und weit weg von Plakativität.

All das steht als Fazit hinter den ersten beiden Konzertabenden des Zyklus. Die Reihung der Quartette ist nicht chronologisch. Am Beginn stand, fast programmatisch für die Hagensche Beethoven-Deutung, Beethovens „Quartetto serioso“ f-Moll op.95, sein elftes Streichquartett, dessen Radikalität und implodierende Leidenschaftlichkeit Ziehen im Herzen zu verursachen vermochte.

Überhaupt vermittelte der erste Zyklusabend vielfach, dass die Spannung im Leisen liegt, beispielsweise im Pianissimobeginn des ersten Satzes des „Harfenquartetts“ es- Dur op.74, oder einer barock stilisierten, fast Bachschen Fuge im 2. Satz des schon erwähnten f-Moll-Quartetts. Auch „La Malinconia“, der letzte Satz des B-Dur Quartetts op. 18, der die Melancholie zum Thema hat, wird durch gerade Piani und Dehnung des Tempos intensiv eindringlich, gänsehautfördernd.

Der zweite Abend war den drei F-Dur-Quartetten gewidmet: zunächst op.18 Nr.1, Beethovens erstem Quartett, das in der Interpretation des Hagen-Quartetts die Kunst der Phrasierung deutlich machte. Da bleibt – wie immer - nichts belanglos. Das „Adagio affettuoso ed appassionato“ ließ in seiner wehen Intensität keinen Platz für Abschweifungen. Das Streichquartett Nr. 16 op. 135 endete zwischen Scherz und Empfinden, zwischen Pathos und Ironie im vierten Satz mit dem „schwer gefassten Entschluss“ - und Bravo Jubel stürme führten schon in die Pause, bevor im ersten „Rasumowsky“-Quartett op. 59 Nr.1 noch einmal alle Spektralfarben zur Wirkung kommen: fein und musikantisch, fast derb, dann wieder leidenschaftlich. In dieser Musik geht’s zu… wie im richtigen Leben!

Bilder: SFS/Harald Hoffmann

 

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