Opernrealität mit Flugzeug

REPORTAGE / SERVUS-TV / DIE ENTFÜHRUNG AUS DEM SERAIL

23/08/13 Nähmaschinen samt Scheiderinnen vor der Breitseite des blausilbrigen Blechbombers. Dahinter Schminktisch samt Visagistin. Dazwischen Stoffballen und Kameras. Der Bassa Selim ist in Gestalt von Tobias Moretti virtuell und real gleichzeitig präsent: Gerade hat man ihn noch in „echt“ gesehen, entdeckt man ihn ein paar Schritte weiter auf mehreren Bildschirmen gleichzeitig.

Von Heidemarie Klabacher

457 Warum nicht einmal ein fremd-artiges Opern-Projekte ganz unvoreingenommen begleiten. Es wird ja nicht gleich die Zukunft der Oper sein - und auf der echten Bühne ist auch nicht immer alles Eitel-Wonne. Auf dem Flughafen – genauer gesagt im Hangar-7 und im Hangar-8 – ist dieser Tage immerhin der Bär los.

Die technischen Vorbereitungen und musikalischen Proben samt Feintuning für die TV-Aufnahme und Live-Übertragung der Mozartoper „Die Entführung aus dem Serail“ am 26. August laufen auf Hochtouren. Techniker aller Disziplinen, Kameraleute, Fotografen und Modells wuselten am Mittwoch (22.8.) bei einem Presse-Lokalaugenschein. Vielleicht waren auch ein paar Piloten darunter.

Verwunderte Besucher, ganz ohne Namensschild oder Sonder-Zugangsgenehmigung um den Hals, staunten im Hangar-7 jedenfalls nicht schlecht über das zusätzliche Spektakel zwischen geflügeltem und bereiftem Renngerät, Astronautenanzügen und Blechmonstern - und unzähligen Ballen von gelben, orangen und roten Stoffen. „Da wird irgendwas gefilmt“, lautete der treffende Befund.

460 Ein kleineres Flugfeld und ein paar hundert Meter weiter im Hangar-8 ist es wohl ruhiger aber nicht leiser: Die Camerata Salzburg unter der Leitung von Hans Graf probt mit viel Schellengeläute den Lobgesang auf den Bassa Selim. Auch hier wieder Flugzeuge und Rennautos - in seltsamem Kontrast zu Pauken und Trompeten. Und auch hier sind reale und virtuelle Welt nur ein Handbreit nebeneinander: Man beobachtet Techniker, die auf Bildschirmen genau beobachten, was die Künstler hinter ihrem Rücken gerade in „echt“ so treiben.

Im Hangar-7 turteln und zanken inzwischen unter Palmen die Solisten. „Und Herr Osmin...“, verlangt Pedrillo von seinem Blondchen zu wissen. Auch das „Hohe Paar“ entdeckt man in diesem eher dürftigen Palastgarten. (Ein Leitmotiv dieser Festspiele? Falstaff, Così, TV-Entführung - alle mit Zimmerpflanzen). Die beiden Damen sind neu im Ensemble: Die Sopranistin Desirée Rancatore übernahm die Rolle der Konstanze kurzfristig von Diane Damrau (die aus schwerwiegenden privaten Gründen und nicht wegen Umstimmigkeiten 459 abgesagt hat, wie die Pressesprecherin der Festspiele betont). Die Sopranistin Rebecca Nelson wird anstelle der erkrankten Daniela Fally singen.

Die Solisten singen und markieren ihren Part, scheinen zwischendurch aber via Ohrstöpsel mit der Technik - oder mit dem Dirigenten - zu verhandeln. Vielleicht hat drüben im Hangar-8 das Orchester inzwischen auch auf das große Quartett weitergeblättert? Weder bei der Probe, noch bei der fertigen Produktion, werden die im Hangar anwesenden Besucher eine klassische Opernaufführung erleben, sondern immer nur einzelne Szenen mitverfolgen können.

462 Erst bei der TV-Übertragung der „Entführung aus dem Serail – live aus dem Hangar-7“ soll das ganze auf zahllose Schauplätze und Einzelszenen verteilte Geschehen eine geschlossene Opernübertragung bilden. Dafür verantwortlich sind Adrian Marthaler als Opern- und Felix Breisach als TV-Regisseur. Musik und Gesang gehen (vereinfacht gesagt) jeweils über Satellit, werden dort oben synchronisiert und sollen - hoffentlich ohne Zeitverzögerung – die jeweils anderen direkt via Ohrstöpsel erreichen. Das Publikum im Hangar hört ohne Kopfhörer natürlich gar nichts. Das Sofa vor dem Fernseher ist der richtige Platz.